Ein Lied von Öl und Feuer

Aserbaidschan, das Land des Feuers, ist eines der ölreichsten Länder der Welt. Wer hier lebt, zündelt nicht. Trotz säkularem Staat und engen wirtschaftlichen Abkommen mit Zentraleuropa, werden westliche Werte von vielen Aserbaidschanern eher zurückhaltend aufgenommen. Emil möchte von beiden Welten das beste zusammenbringen.

Emil setzt seine Hoffnungen für die Zukunft nicht in die Politik, sondern viel mehr in soziale Projekte. Ganz konkret äussert sich diese Überzeugung in dem von ihm gegründeten «FEMM Project». Zusammen mit drei jungen aserbaidschanischen Frauen, Nazrin, Ulviyya und Elvina, setzt er sich für die Gleichstellung von Mann und Frau ein.

FEMM Project

Der 19-jährige Student spricht fünf Sprachen, hat ein Jahr lang in den U.S.A. studiert und sagt von sich selbst, er sei in einem progressiven Haushalt aufgewachsen. Auch wenn seine Mutter – dem aserbaidschanischen Rollenbild entsprechend – nach ihrer ersten Schwangerschaft aufgehört hat zu arbeiten. «Meinen Eltern war es immer wichtig, mir einen breiten Horizont zu vermitteln», erzählt Emil und lächelt. Und doch gerät er auch mit seinem neun Jahre älteren Bruder manchmal aneinander. «Er weiss genau, dass er mich mit gewissen Ansichten auf die Palme bringen kann.» Emil lacht verhalten.

Doch der Generationenunterschied ist nicht das einzige, was ihn beschäftigt. In seinem Heimatland, so erzählt er, mischen sich viele verschiedene Werte. Das läge auch an der bewegten Geschichte des Landes.

Erst seit 1991 ist Aserbaidschan unabhängig von der Sowjet Union. Davor war das kleine Land (Aserbaidschan hat eine Million Einwohner mehr als die Schweiz) Teil von Persien und dem Russischen Reich. Als eines der ölreichsten Länder der Welt ist die Region am kaspischen Meer auch in jüngster Vergangenheit ein begehrter Flecken Erde. Das zeigt sich in den bilateralen Wirtschaftsabkommen zwischen der Schweiz und Aserbaidschan, aber auch im Schweigen von Staat und Medien gegenüber der aserbaidschanischen Innenpolitik.

Dabei war Aserbaidschan die erste Demokratie der muslimischen Welt und führte das Frauenstimmrecht bereits 1918 ein. Zur Erinnerung: In der Schweiz wurde es erst 1971 eingeführt. Rein theoretisch haben Frauen also die gleichen Rechte wie Männer. Und doch stimmt das nicht ganz. Denn traditionell ist die Familie ein wichtiger Teil der aserbaidschanischen Kultur und die Frau, Kern der Familie, ist für das Familienglück zuständig. Konservative Kreise sehen diese Institution nun durch westliche Werte bedroht. Bereits sei die Scheidungsrate auf 17 Prozent gestiegen.
«Eigentlich ist das ziemlich tief», widerspricht Emil und macht eine Pause. «Das ist sie aber nur, weil aserbaidschanische Frauen finanziell völlig von ihren Ehemännern abhängig sind.»

Er möchte den Frauen eine Wahl geben. Aber was hat Feminismus eigentlich mit ihm zu tun? Als Mann sollte er in Aserbaidschan doch ein gutes Leben führen können. «Das ist doch ein Klischee», sagt Emil und macht eine bestimmte Pause. «Es geht bei Feminismus nicht nur um Frauen, es geht um Gleichstellung. Zum Beispiel finde ich, es sollte auch Vaterschaftsurlaub geben.» Frisch gebackene Mütter bekommen in Aserbaidschan bereits 126 Tage bezahlten Mutterschaftsurlaub. Und: Falls sie eine Tochter gebären, sollen sie finanziell unterstützt werden. «Das ist eines der Gesetze, die verhindern sollen, dass Mädchen abgetrieben werden», erzählt Emil. Wie in vielen Ländern ist es auch in Aserbaidschan wichtig einen männlichen Erben zu haben, der die Blutlinie weiterführt. Emil wirft die Arme in die Luft. «Ich verstehe einfach nicht, wie einem so etwas so wichtig sein kann.» Es gibt also noch viel zu tun, in Aserbaidschan. Doch für Veränderungen braucht es Zeit. Und wenn sie, wie im Fall von Emil, aus der Mittelschicht kommen, wirken sie umso nachhaltiger. Das zumindest hofft er. Und plant schon das nächste Video für den Youtube-Kanal des «FEMM Projects».

Denn am wichtigsten sei es, den Diskurs im Land am Leben zu er halten.