du bist im zug und beobachtest die anderen fahrgäste. du fragst dich, was sich hinter all diesen gesichtern verbirgt, welche geschichten diese menschen prägen.

und dann geschieht etwas, was dich und alle anderen für den rest eures lebens verbinden wird.


GÜLTIG: 17:53 UHR BIS: 17:53 UHR 2.KL. 1/2
STRECKE:

ZÜRICH - BERN

Ich bin zehn Minuten zu früh und trotzdem ist der Zug schon voll. Bei jeder Türe sind Menschen am Einsteigen, doch weit hinten am Gleis ist der Zug manchmal nicht schon komplett voll. Ich steige ein. Die Abteile sind alle schon besetzt, doch einige Plätze sind noch frei. Ich setze mich in ein Abteil mit einem älteren Pärchen und einem Mann, der aus dem Fenster blickt. Kaum habe ich mich auf den Stuhl gesetzt, meldet sich de ältere Frau: „Entschuldigung, hier kommt noch unser Enkelkind“. Ich gehe also weiter und versuche einen anderen Platz zu finden.

Oma

Ich erblicke einen weiteren freien Sitzplatz, auf dem jedoch jemand seine Tasche platziert hat. Ich frage, ob ich mich hier hinsetzen kann und er entfernt seine Tasche kurzerhand. Ich bedanke mich und setze mich neben den jungen Mann, der mir kurz zulächelt und sich dann wieder seinem Handy widmet. Ich blicke kurz auf meines und sehe, dass der Zug in fünf Minuten losfährt. Ich versuche mich in den Sitz zu entspannen, doch es steigt mir ein unangenehmer Geruch in die Nase. Ich drehe meinen Kopf in verschiedene Richtungen und merke schnell, dass der Geruch von meinem Sitznachbarn kommt. Ich schaue mich schnell nach einem anderen Platz um, doch nun sind alle besetzt und ich möchte während dieser langen Zugfahrt bestimmt nicht stehen. Ich lehne mich etwas weiter in den Gang und versuche den fast schon beissenden Geruch zu ignorieren.

Stinki

Der Zug sollte nun jeden Moment abfahren und ich versuche mich auf etwas anderes wie meinen Sitznachbarn zu konzentrieren. Auf der anderen Seite des Zugwagens steigt ein kleiner Junge mit seiner Mutter ein. Die Mutter sieht sehr gestresst aus und sieht sich schnell in den Abteilen um. Als sie das ältere Pärchen, bei dem ich mich zuvor setzen wollte, erblickt, läuft sie los und übergibt ihnen ihren Sohn. Die Grosseltern begrüssen ihren Enkel freudig, während die Mutter irgendetwas schwafelt, das ich nicht entziffern kann. Schnell läuft sie weiter im Zug, an mir vorbei und zur Türe wieder heraus. Kaum hat sie den Zug verlassen, höre ich den Pfiff der Zugbegleiter und die Türen schliessen sich. Die Frau blickt zurück in den Zug und winkt ihrer Familie, während der Zug langsam ins Rollen kommt.

Mutter

Der Zug ist nun aus dem Bahnhof Zürich raus und ich versuche mich langsam zu entspannen, was nicht so einfach ist, wenn dir ständig ein gewisser Gestank in die Nase aufsteigt. Ich lehne mich weiter in den Gang, weg von dem üblen Geruch und sehe eine Frau, die wild um sich herumblickt. Ich frage mich was mit ihr los ist und erblicke dann die Zugbegleiter, die sich ihr nähern. Sie muss wohl kein Ticket haben. Obwohl die Kontrolle noch weit weg von mir stattfindet, bekomme ich und auch jeder andere Fahrgast mit, wie einer der Passagiere kein Ticket hat.

noBilletMan

Die Zugbegleiter werden dort also aufgehalten und die Frau kann sich etwas entspannen. Als ich wieder zu ihr blicke, sieht sie aber noch viel gestresster aus als zuvor und blickt immer wieder in die Richtung der Kontrolleure.

Nervous Woman

Die Kontrolleure rücken immer näher und ich bemerke einen Mann, den ich zuvor gar nicht gesehen hatte. Er versteckt sich unter seiner aufgehängten Jacke und ist wohl im Tiefschlaf. Werden die Zugbegleiter ihn wohl wecken?

sleepy

Am schlafenden Mann vorbei, kann ich die Zugbegleiter erstmals richtig sehen. Ein älterer Herr und eine unerfahren wirkende junge Frau, vielleicht ist es eine Lehrtochter, die das erste mal Billette kontrolliert. Der ältere Zugbegleiter wirkt jedoch auch etwas wacklig im fahrenden Zug. Ich beobachte die zwei weiter und je näher sie kommen, desto torkelnder wirkt der Mann. Er hat wohl etwas zu tief ins Glas geschaut.

Kontrolleur

Die junge Frau, die ihn begleitet wirkt unwohl, verständlicherweise. Sie tut mir fast schon Leid. Die beiden Kontrolleure sind jetzt bald bei der nervösen Frau. Sie wirkt jetzt schon fast panisch.

Kontrolleurse

Der Zugbegleiter wird gerade von einer älteren Dame kritisiert, was ihn kalt lässt. Die junge Frau schaut immer wieder panisch den Gang entlang. Langsam erhebt sie sich. Ich frage mich, ob sie sich jetzt vor der Kontrolle verstecken möchte? Der Zug ist in voller Fahrt und wir sind im hintersten Abteil. Keine Chance, dass sie der Kontrolle davonkommt. Meine Theorie stellt sich als falsch heraus, denn sie nähert sich jetzt den Kontrolleuren.

Die Frau bleibt kurz vor den Zugbegleitern stehen. Ich lehne mich weiter aus dem Abteil, um besser zu sehen, was passiert. Sie greift in ihre Tasche und nimmt einen glänzenden Gegenstand heraus. Ich erkenne nicht was es ist. Kurz darauf stürzt sie sich auf einen Mann, der schnell anfängt zu bluten. Sein weisses Hemd ist innerhalb von Sekunden blutgetränkt.

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Ich sehe die junge Zugbegleiterin an mir vorbeirennen und kurz danach höre ich das Quitschen der Bremsen. Sie hat also die Notbremse gezogen. Es ist klar: der Mann ist tot. Im ganzen Zug ist es still, es scheint als stünden alle unter Schock. Nur der kleine Junge schreit lauthals durch den Zug, immer weiter und weiter.

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Zug Grundriss

geschichte von zoe waltenspül, zeichnungen von alice loher

du bist im zug und beobachtest die anderen fahrgäste. du fragst dich, was sich hinter all diesen gesichtern verbirgt, welche geschichten diese menschen prägen.

und dann geschieht etwas, was dich und alle anderen für den rest eures lebens verbinden wird.

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