3329 Tage seit dem ersten Kuss
Gemäss der Suche von digezz.ch gibt es unter dem Stichwort «Hochzeit» bereits elf Beiträge. Diese handeln von Kochbüchern, der Eventplanung mit Überraschungen, die es geheimzuhalten gilt, oder vom Mischen von Likör. Mit der Hochzeitsfotografie steche ich nicht gerade aus der Masse heraus. Dennoch gibt es hier und da Dinge, auf die ich Wert lege, die anderen vielleicht weniger wichtig sind, aber nach dem Lesen dieses Beitrags wichtig(er) werden könnten.
Im Februar erhielt ich eine sehr liebevolle Nachricht aus meinem Familienkreis:
Liebe Manuela, wie geht es dir? Romano und ich wollten dich was fragen. Wir haben ja Ende Mai unsere standesamtliche Hochzeit im kleinen Rahmen im Schloss Bümpliz. Wir haben uns gedacht, dass es uns freuen würde, wenn eine Person fotografieren könnte, mit der wir uns wohl fühlen. Da bist du uns sofort eingefallen. Könntest du dir das vorstellen?»
– Andrea
Manche meiner Fotos sind technisch ganz solide, sonst hätte ich im letzten Herbst nach dem Fotoshooting eines anderen Brautpaares nicht so zahlreiche Komplimente erhalten. Mit den Meisterwerken von erfahrenen Profis vergleichen lassen sie sich auf dieser Ebene jedoch nur bedingt. Das ist aber okay, denn Andrea hat in einem kurzen Nebensatz etwas Wichtiges gesagt: «…mit der wir uns wohl fühlen.» Es geht zwar schon darum, dass die Fotos einem gewissen Standard entsprechen, aber viel mehr, dass ich mit meinem Charakter in die kleine Hochzeitsgesellschaft passe. Und den Charakter der Fotografin / des Fotografen sieht man ihrem oder seinem Portfolio nun mal nicht an, ein Eindruck dessen hat sich Andrea in den letzten zwei Jahrzehnten aufgebaut 😊.
Vor dem Tag X erkundigte ich mich in regelmässigen Abständen bei Andrea, wie es bei ihr lief, wie nervös sie war, ob es noch Aufgaben gäbe, die sie mir delegieren möchte. Auch Romano erhielt am Vorabend von mir eine Nachricht mit guten Wünschen. Beide bedankten sich tags darauf herzlich bei mir, ich schien also die richtigen Worte gewählt zu haben.
Auf dem Parkplatz vor dem Schloss traf sich der grosse Teil der Hochzeitsgesellschaft. Nachdem ich alle begrüsst hatte, begann ich bereits dort mit den ersten Fotos. Wenn bekannte Leute neu aufeinandertreffen, haben sie häufig Gesprächsbedarf und können die Kamera besser ignorieren. Ausserdem hat man draussen mehr Möglichkeiten zum Abstand halten als in Innenräumen, wo man eher mal den personal space von jemandem überschreitet. So kann man die Stimmung besser auffangen als mit gestellten Fotos.
Um kurz vor elf bewegte sich die Gruppe vom Parkplatz Richtung Schloss und wurde dort von einer Mitarbeiterin in ein Wartezimmer geleitet. Ein paar Minuten später holte uns der Zivilstandsbeamte in einen grösseren Raum und hielt uns eine gestelzte Rede, die durchaus ihren Teil zur Unterhaltung beitrug. Diese 15 Minuten Zeremonie war denn auch die Zeit, in der ich mich persönlich am aufdringlichsten fühlte, weil alle auf ihren Plätzen sassen und ich mich als einzige der Wand entlang von vorne nach hinten bewegte. Das Brautpaar hat laut eigener Aussage davon glücklicherweise gar nichts mitbekommen.
Im Anschluss gab es die gestellten Fotos im Blumengärtchen des Schlosses. Bei grossen Hochzeitsgesellschaften ist es sicher sinnvoll eine Checkliste zu erstellen, welche Kombinationen an An- und Zugehörigen (Trauzeug:innen, Eltern, Geschwister etc.) man sich wünscht, damit nichts vergessen geht. In diesem Fall waren wir zwölf Personen, die alle in der Nähe blieben und mitdachten, wer sich noch mit wem ablichten lassen wollen könnte. Diejenigen, die gerade nicht dran waren, unterhielten sich und gaben mir die Zeit, die zu Fotografierenden in Ruhe zu positionieren. Ich war denn auch durchgehend im Dialog mit den Menschen vor der Kamera, um auf Wünsche einzugehen oder ein paar aufheiternde Worte fallen zu lassen, um ein natürliches Lachen hervorzurufen.
Fazit
Die Hochzeit ist ein sehr wichtiger Tag im Leben eines Paares, es wird kaum umhin kommen, nervös zu sein. Diese Nervosität sollte man als Fotograf*in aber nicht übernehmen. Wer sich nicht nur gelassen gibt, sondern es auch wirklich ist, kann dem Paar damit Orientierung und Sicherheit geben. Gerade als Berufsanfänger*in kann (nicht muss!) es von Vorteil sein, an Anlässen zu fotografieren, an denen man einige der Leute bereits kennt, damit man nicht ausschliesslich in der Rolle des Fotografen/der Fotografin da ist. Gerade als schüchterne oder introvierte Person erlaubt man sich eher, vertraute Leute zu einer Pose oder einem Ortswechsel anzuleiten und so Führung zu übernehmen. Wenn man das einmal geschafft hat, ist die Hürde beim nächsten Mal mit unbekannten Menschen schon etwas niedriger. Auch ist es von Vorteil, die ersten Fotografiererfahrungen mit Hauptverantwortung an einem Anlass mit moderater Gruppengrösse zu machen. Die anschliessenden Tipps beziehen sich deshalb auf eine Gesellschaft mit nicht mehr als vielleicht 15-18 Personen:
- Leute begrüssen und sich vorstellen, um Vertrautheit zu schaffen. Manche Leute fühlen sich vor der Kamera nicht wohl, und es ist einfacher für sie, wenn wenigstens die Chemie mit der Person dahinter stimmt.
- Schon mit Fotografieren beginnen, wenn der Hintergrund noch nicht sehr ästhetisch ist (z.B. auf dem Parkplatz). So ist man selbst nicht in Abwartehaltung, wann man denn am besten beginnt. Ausserdem unterhalten sich Leute gerne, die sich gerade frisch treffen, und können sich in ausladender Umgebung daran gewöhnen, dass eine Person mit Kamera anwesend ist.
- Viele Menschen sind lockerer, wenn man Fotos im Gehen machen kann. Sich im Voraus informieren oder vorausahnen, welchen Weg die Gruppe nimmt, um sich ein paar Meter davor zu positionieren und die Leute beim Fotografieren an sich vorbeilaufen lassen.
- Kommuniziere mit den Leuten. Wenn man ihnen gestellte Fotos direkt nach dem Schiessen zeigt und gemeinsam kurz bespricht, fühlt es sich viel mehr nach Zusammenarbeit an und weniger nach einer reinen Dienstleistung.
- Natürlich ist es toll, wenn Schärfe, Belichtung und Bildausschnitt 100% stimmen, aber um der guten Laune willen kann man auf die dritte Wiederholung des gleichen gestellten Fotos auch mal verzichten. Du produzierst nicht für andere Fotograf*innen, sondern für den Kunden und die Kundin, die dir mitteilen werden, ob sie den Unterschied zwischen 90% und 100% erkennen. Perfect is the enemy of good, und das eigene befriedigte Ego ist manchmal weniger wichtig als das glückliche Brautpaar.
(twb)
Die Vorbereitung und Durchführung des Fotografierens sind jeweils ohne weitere Zwischenfälle abgelaufen und können als Erfolg gewertet werden. In der Nachbereitung musste ich spontan sein, da am Hochzeitstag selbst bereits zwei, drei Fotos zum Verschicken an Gratulant*innen gewünscht wurden, aber da ich mir ohnehin den ganzen Tag freigehalten habe, war das kein Problem.
Für ein nächstes Mal würde ich bereits zuvor in Erfahrung bringen, welche Fotos wo genutzt werden. Das Brautpaar hat sämtliche Bilder von mir ohne Auflagen erhalten, ein paar wenige davon von mir bearbeitet. Bei einem späteren Instagrampost wurde eines der unbearbeiteten Bild verwendet, aus dem ich noch mehr hätte herausholen können und wollen. Wie gesagt ist das im Kontext absolut legitim, aus meiner Sicht ist das Produkt aber nur halbfertig. Lösen könnte man das entweder mit einer vorherigen Absprache oder wenn nur die Fotos herausgegeben werden, die man selbst als fertig definiert.
Zu guter Letzt hilft es, sich nicht mit den Foto-Profis der kirchlichen Hochzeit vergleichen zu wollen, die ausschliesslich in ihren Rollen als Fotografinnen anwesend waren und dieser mehr als nur gerecht wurden.