Adidas Terrex – Spec Ad

Gefühlt 0 Grad, stockdunkel und ein kalter Wind: Dies waren die Witterungsverhältnisse, als wir am Morgen früh die Tür unseres Campers öffneten. Der klare Himmel sah jedoch vielversprechend aus, also bereiteten wir unsere Kamera vor und begaben uns auf den kurzen Fussweg an den Bergsee.

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Zusammen mit einem Kollegen (Elia Zobrist) drehte ich diesen Herbst einen Spec Ad für Adidas Terrex am Palpuognasee im tiefen Graubünden. Dafür reisten wir für zwei Tage nach Graubünden und übernachteten im Bus auf dem Albulapass. Speziell am Engadin sind die Lärchenwälder, welche sich im Herbst goldgelb färben, was auch der Grund war, weshalb wir uns für den Palpuognasee entschieden.

Am ersten Tag fuhren wir zum See und machten uns ein Bild des Ortes und vor allem Gedanken dazu, welche Aufnahmen wir wo genau machen können. Für uns war klar, dass wir das Video dann hauptsächlich im Morgenlicht (Dämmerung und Sonnenaufgang) drehen.

Prüfen des Verlaufs der Sonne mithilfe der App PhotoPills

Was ich bei einem Locationscouting immer prüfe ist, wo die Sonne im Verlauf des Tages steht und wo sie aufgeht. Meine Empfehlung dafür: Die App PhotoPills. So weiss man, wo die Sonne zu welcher Zeit steht und in welche Richtung man hauptsächlich filmen möchte, wodurch man sich schon beim ersten Erkunden des Ortes auf diese Winkel konzentrieren kann.

Der Palpuognasee

Nach dem Besichtigen des Sees suchten wir uns einen Platz, wo wir parken und übernachten können, bereiteten uns eine Portion Pasta zu und tranken in der Kälte am Abend noch einen warmen Tee, bevor uns dann am Morgen um 5 Uhr der Wecker aus dem Schlaf rüttelte. Um diese Zeit war es noch stockdunkel, wir brauchten aber noch einen Moment um die Kamera bereitzustellen und um zum See zu kommen. Überraschenderweise gab es relativ viele Fotografen, welche den See in der wunderschönen Morgenstimmung fotografieren wollten. Wir waren also nicht die einzigen, obwohl es noch nicht mal halb 6 Uhr war, als wir am See ankamen.

Was ist ein Spec Ad?

Bevor wir zur Konzeption und dem Shooting kommen, möchte ich noch kurz erklären, was überhaupt ein sogenannter Spec Ad ist. Die Idee, ein Video für Adidas zu drehen, ist (leider) rein fiktiv. Adidas hat uns also weder einen Auftrag gegeben, noch wissen Sie etwas unseres Drehs. Einen Spec Ad (Speculative Advertisement) produziert man sozusagen auf eigene Faust, um damit das eigene Portfolio zu bestücken. Allenfalls könnte man das fertige Video dann der Marke schicken und im besten Fall verkaufen.

Konzeption

Was bei der Konzeption unseres Videos etwas speziell war, war der Ablauf. Wir legten als allererstes den Drehort fest, aus dem einfachen Grund, da wir nur noch wenige Wochen von den goldgelben Wäldern im Engadin entfernt waren und der Sommer schon etwas vorbei war. Wir wollten auf jeden Fall etwas in der Natur drehen. So kamen wir zum See und suchten uns dann etwas aus, was zum See passt. Als uns unser Model (eine Kollegin von uns) sagte, dass sie einen neuen Outdoor Adidas Schuh hat, der sich eventuell eignet, war uns klar, dass wir einen Ad dafür machen möchten. Der Schuh eignet sich für Wandern, aber vor allem auch für Trailrunning, worauf wir uns im Video fokussieren wollten.

Wir hatten also nun den Drehort, das Model und unser Produkt. Was uns noch fehlte, war der Inhalt des Videos. Die Länge setzten wir auf maximal eine Minute, je kürzer desto besser. Wir wussten ausserdem, dass wir einen Off-Text im Video möchten, also setzten wir uns daran, verglichen den Text anderer Werbungen und machten uns Gedanken dazu, was wir überhaupt erzählen und vermitteln wollen. Der Text wurde dann mehrmals überarbeitet, gekürzt und angepasst, bevor wir ihn dann auf fiverr.com einer Sprecherin sendeten, damit sie den Text aufnehmen konnte.

Dreh

Als wir am Morgen früh aus dem Bus in die Kälte stiegen, war es zwar noch stockdunkel, aber die Vorfreude war immer riesig. Ein super schöner Ort und auch top Wetter mit einem klaren Himmel. Beste Voraussetzungen für unseren Dreh. Der Palpuognasee ist meiner Meinung nach noch immer ein Geheimtipp. Klar hat es einige Leute dort, aber es ist wirklich nicht vergleichbar mit den bekannteren Zielen wie dem Caumasee oder dem Crestasee, welche an schönen Tagen komplett überlaufen sind. Ausserdem ist es für mich der schönste dieser Bündner Bergseen.

Morgenstimmung am Palpuognasee

Wir starteten mit Aufnahmen in der Dämmerung und liefen dann um den See, um verschiedene Orte und Einstellungen zu haben, während die Sonne aufging. Das Video wollten wir so aufbauen, dass man nicht schon zu Beginn des Videos merkt, dass man schon am See ist. Es soll aussehen, als ob die Protagonistin zum See rennt und am Ende des Videos dort ankommt.

Für die Gear-Interessierten: Die meisten Aufnahmen machten wir mit einem Laowa 7.5mm Objektiv auf der RED Komodo. Wir benutzten ausserdem ein Set (24mm, 35mm, 50mm) von adaptierten Leica R Linsen. Da wir einen VND-Filter benutzten gab es eine ziemlich starke Vignette auf dem 7.5mm Objektiv (man sah den Rand des Filters im Bild) was allerdings kein Problem war, da wir uns schon zu Beginn auf ein 4:3 Seitenverhältnis einigten, wodurch diese Vignette dann sowieso kein Problem mehr war. Fast alle Aufnahmen sind aus der Hand gemacht, für wenige benutzten wir einen Gimbal – wovon ich allerdings gar kein Fan bin. Für die kurzen Unterwasseraufnahmen benutzten wir eine Sony A7S in einem Seafrogs Gehäuse.

Für den Dreh benutzten wir ein Moodboard, welches wir im Voraus erstellt haben. So hatten wir einen Anhaltspunkt und vor allem auch Inspiration für verschiedene Einstellungen. Auf ein genaueres Storyboard oder eine Shotlist verzichteten wir.

Wir bewegten uns relativ frei, hatten allerdings schon viele Ideen vom Vortag, da wir den See ja schon erkundet haben und schon gewisse Shots definiert hatten. Wir konzentrierten uns hauptsächlich auf Aufnahmen des Produkts, also des Schuhs. Was natürlich auch nicht fehlen durfte, sind Aufnahmen des Sees um die Stimmung zu zeigen und auch Aufnahmen unserer Protagonistin, damit sich die Zuschauer*innen besser mit ihr identifizieren können. Ausserdem wussten wir, dass wir ins Video zwischendurch immer wieder ganz schnelle Aufnahmen packen wollten, um etwas Dynamik zu erzeugen. Viele Aufnahmen sind mit 40 fps gefilmt, einige aber auch mit 25 um die sowieso schon riesige Datenmengen nicht noch grösser zu machen. Für die ganz schnellen Stimmungsaufnahmen wäre 12.5 fps ein spannendes Stilmittel (das Momentan ja ziemlich im Trend ist) gewesen – etwas was wir beim nächsten Mal dran denken müssen.

Schnitt

Die Rückreise vom Albulapass zurück nach Hause in die Innerschweiz dauerte sowieso schon lange, mit dem ganzen ungesicherten Footage auf den Speicherkarten fühlte es sich gleich nochmals ein wenig länger an. Ich bin immer froh, wenn das Material dann auf zwei Festplatten ist, damit man sicher ein Backup hat und nichts verloren geht. Ein grosser Nachteil einer Filmkamera wie einer RED sind wie gesagt die riesigen Datenmengen (Wir produzierten circa ein Terrabyte an Daten) was dann das Backup und den Schnitt etwas mühsam machen, da man das Material im Normalfall nicht einfach kurz auf den Laptop lädt. Der RED-Kodek läuft im Schnitt allerdings (überraschenderweise?) sehr flüssig, was wiederum ein grosser Vorteil ist.

Als erstes haben wir uns die einzelnen Spuren unseres Songs auseinander genommen und so angeordnet, wie wir es haben wollten. Darauf verteilten wir dann das Voiceover und die Pausen dazwischen. Bei gewissen Bildern wussten wir schon zu welchem Teil des Textes sie passen, bei anderen war es ein Ausprobieren, wo es passt. Durch den Kontrast der sehr schnellen und langsamen Sequenzen konnten wir eine gute Dynamik erzeugen, was natürlich immer extrem wichtig ist.

Für den Schnitt hatten wir relativ lange, bis wir die Aufnahmen nur schon ein erstes Mal gesichtet und aussortiert haben, aber auch bis wir dann mit dem Fluss und der Dynamik des Schnittes wirklich zufrieden waren. Anschliessend ging es ins Sounddesign, um die Stimmung im Wald und am See besser zu vermitteln, aber auch um die schnellen Sequenzen noch etwas packender zu machen. Zum Schluss animierte ich noch das Adidas Logo, welches als kleines Outro zwar simpel ist, aber trotzdem recht gut funktioniert.

Colorgrading

Um das Projekt abzuschliessen, bearbeitete ich die Farben in DaVinci Resolve, was einfach viel mehr Möglichkeiten und Kontrolle über die Farben bietet, im Vergleich zu Adobe Premiere, wo das Video geschnitten wurde. Normalerweise benutze ich gerne Presets und baue mir den Node-Tree nicht selbst auf (da man ein wenig Zeit spart), habe aber dieses Mal, seit langem mal wieder, alles selbst gebastelt. In der folgenden Erklärung spreche ich von “Nodes”. Diejenigen, die Resolve noch nie benutzt haben, können sich diese etwa wie verschiedene Einstellungsebenen in Premiere vorstellen.

Wichtig an dieser Stelle: Meine Erfahrung mit Resolve sind relativ limitiert, ich teile hier nur meine Vorgehensweise. Wahrscheinlich gäbe es noch viel bessere Workflows.

Mein Node-Tree des ersten Clips

Als erstes begann ich mit einem Effekt zur Rauschreduzierung, dem Weissabgleich und einer leichter Belichtungskorrektur als Serial-Nodes als Basis. Anschliessend mache ich die verschiedenen Keys als Parallel-Nodes. Dort habe ich mich beim folgenden Beispielclip vor allem auf die Farben des Himmels fokussiert, sowie die Highlights auf dem Model etwas heller und wärmer gemacht, um ein wenig Kontrast hinzuzufügen. Anschliessend füge ich (falls nötig – je nach Clip) eine leichte Vignette hinzu, bevor ich dann den Look noch zum Schluss anpasse.

Mein Node-Tree der Timeline

Nach dem Clip Node-Tree, der nur für den einzelnen Clip gilt und für jeden Clip einzeln gemacht wird, folgen noch ein paar Nodes, welche für alle Clips, also die ganze Timeline, gelten. Dort füge ich zuerst ein Node ein, welches von Log zu Rec. 709 konvertiert. Anschliessend folgen Effekte wie Schärfen, Halation, eine Vignette und eine Körnung.

Die einzelnen Schritte des Grading-Prozesses

Grundsätzlich habe ich versucht, dem Video einen leichten Vintage Look zu geben, aber nicht zu übertreiben, da das Video nicht in einem Vintage-Kontext steht, sondern aus dem einfachen Grund, dass mir der Look einfach gefällt. Zum Look beigetragen haben sicherlich auch die etwas älteren Objektive, die wir beim Dreh verwendet haben.

(bas)

Mit dem Endprodukt und dem ganzen Prozess bin ich wirklich sehr zufrieden und auch stolz auf das finale Produkt. Vor allem mit dem Visuellen (Einstellungen, Drehort, Schnitt, Grading) bin ich sehr zufrieden. Interessant wäre zu sehen, wie das Video aussehen würde, wenn wir noch einen weiteren Drehtag gehabt hätten und ob wir dadurch noch einen grossen Mehrwert hätten generieren können.

Der Prozess und die ganze Arbeit am Video hat mir extrem Spass gemacht, auch die Zusammenarbeit mit Elia hat bestens funktioniert, da wir mittlerweile ein sehr eingespieltes Team sind.

Ich denke ein Grund, dass mir das Projekt so viel Spass gemacht hat und ich so glücklich mit dem Resultat bin, ist, dass es eben ein Spec Ad war. Ein Video frei von Erwartungen, Anforderungen und irgendwelchen Corporate Identities, an denen man sich orientieren muss. Auch beispielsweise das animierte Logo am Ende des Videos hätte man mit hoher Wahrscheinlichkeit bei einem “echten” Auftrag so nicht umsetzen können.

 

Was ich beim nächsten Mal ändern oder verbessern würde, wäre sicherlich das Sounddesign. Ich finde die Musik zwar passend, die Soundeffekte gut und auch die Stimme super. Was ich ein wenig schade finde ist, dass es ein wenig in die Richtung eines Musikvideos geht. Was ich damit meine ist, dass es aussieht, als ob wir einen Song genommen hätten und dann unser Bildmaterial einfach darauf geschnitten hätten und fertig. Die Musik ist mir noch etwas zu präsent. Lieber hätte ich, wenn sie etwas feiner im Hintergrund wäre.

Was ich am Visuellen noch gerne optimiert hätte, wäre dem Model eine passende Adidas Jacke zu geben, damit das Video noch etwas glaubwürdiger und echter wirkt. Ohne Budget war das allerdings relativ schwierig, da wir in unserem Umfeld keine fanden.

 

Die ganze Vorproduktion und Konzeption hatte ich zeitlich etwas unterschätzt. Bis die Idee, der Text, der Drehort und die Protagonistin definiert waren, verging relativ viel Zeit. Dies war allerdings in diesem Fall auch völlig in Ordnung, da wir uns die Zeit auch nehmen konnten – ein weiterer Vorteil eines Spec Ads. Dadurch hat sich dann die ganze (Post-)Produktion verzögert, wodurch das Video nun Ende Dezember fertig wurde, was ein wenig schade ist für ein Video, welches im Herbst spielt. Natürlich waren wir auch im Schnitt etwas langsam, fanden aber auch nicht so leicht Zeit zwischen der Schule und der Arbeit an unserem Projekt zu arbeiten.

Nichtsdestotrotz bin ich mehr als zufrieden mit dem Video und freue mich auf die Umsetzung des nächsten Spec Ads, um mein Portfolio damit auszuschmücken. Eine Möglichkeit wäre auch, das fertige Video an die Marke (in unserem Fall Adidas) zu senden und möglicherweise zu verkaufen. Dies sehe ich in unserem Fall als relativ unrealistisch, da wir nun die falsche Jahreszeit haben und das Produkt in der nächsten Saison natürlich nicht mehr aktuell ist. Dazu kommt, dass Adidas wohl eine relativ klare Planung ihres Contents hat. Trotzdem wäre es vielleicht einen Versuch wert, auch wenn es nur ist, um einen Kontakt zu knüpfen.