Ein Tag als Cutterin beim ORF

ORF, das ist der Österreichische Rundfunk. Wenn ich nämlich gerade nicht MMP studiere, dann arbeite ich im Landesstudio Tirol in Innsbruck im News-Schnitt. Der Beruf, der mich überhaupt erst ins MMP-Studium gebracht hat, ist vielseitig und sicherlich niemals langweilig.

Mit praktischen Langschläfer-Arbeitszeiten von 11:00 Uhr bis 19:30 Uhr weiss ich nie, welche Geschichten mich an diesem Tag erwarten werden. Vielleicht mache ich am Vormittag ein Porträt über einen Ameisenzüchter, nach der Mittagspause einen Politikbericht und kurz vor Sendungsbeginn kommt noch eine Meldung über einen Unfall. Dann heisst es schnell sein.

Die wichtigsten Fähigkeiten im Newsschnitt

Die Technik beherrschen: Auch wenn es bei manchen Projekten mal die Zeit gibt, Dinge auszuprobieren und neue kreative Mittel zu entdecken, sind das keine News-Projekte. Gerade im Nachrichtenbereich ist die Zeit der grösste Gegner. Deshalb ist es wichtig, dass die Cutter/innen ihr Werkzeug beherrschen. Viele Handgriffe und Shortcuts gehen einem ins Blut über, doch dann besteht die Gefahr unaufmerksam zu werden. Deshalb ist eine mentale Troubleshooting-Checkliste hilfreich. «Wenn das nicht funktioniert, woran kann es liegen? Wenn es das nicht ist, what’s next?»

Geschwindigkeit: Und damit einher geht Entscheidungsfreude. Wenn ein Beitrag pünktlich auf Sendung gehen soll, gibt es einen Punkt, ab dem man nicht mehr jedes Bild durchprobieren kann, das potenziell an diese Stelle passen könnte. Es muss eine Entscheidung getroffen werden. Dazu gehört, den Überblick über die verbleibende Arbeitszeit zu behalten und Prioritäten klar zu setzen – welche Elemente sind unverzichtbar und welche können im Notfall weggelassen oder angepasst werden? Manchmal muss diese Entscheidung auch bei den Redakteuren durchgesetzt werden, denn am Ende können die Cutter/innen am besten einschätzen, wie viel Zeit sie noch für die technische Umsetzung brauchen.

Teamfähigkeit: Der Newsschnitt ist fast nie eine Einzelaufgabe. Cutter/innen arbeiten mit Redakteuren und manchmal auch den Kameraleuten zusammen, um eine Geschichte aufzustellen. Eine klare Kommunikation ist dabei entscheidend. Wünsche und Anforderungen müssen schnell verstanden und umgesetzt werden, wobei es auch darauf ankommt, diplomatisch und lösungsorientiert zu agieren, falls es zu unterschiedlichen Meinungen kommt. Jede/r Redakteur/in ist anders und arbeitet anders – oft auch anders als die eigenen Herangehensweisen. Es gilt, Kompromisse zu finden und seine gestalterischen Entscheidungen begründen zu können. Teamfähigkeit bedeutet hier auch, in stressigen Situationen ruhig und kollegial zu bleiben, um gemeinsam das Ziel – einen rechtzeitig sendefertigen Beitrag – zu erreichen.

Kreativität: Obwohl der Zeitdruck im Nachrichtenbereich oft wenig Raum für Experimente lässt, ist ein gewisses Mass an Kreativität dennoch wichtig. Sie zeigt sich vor allem in der Fähigkeit, auch unter stressigen Bedingungen passende visuelle und erzählerische Lösungen zu finden. Manchmal kann ein gut platzierter Schnitt oder ein kreativer Übergang dazu beitragen, die Botschaft eines Beitrags klarer und eindrucksvoller zu transportieren. Ein kreativer Ansatz kann auch helfen, repetitive Aufgaben interessanter zu gestalten und die eigene Motivation zu steigern. Manchmal hilft es hier, sich eine Art Baukasten zuzulegen. Einfache, aber universelle Stilmittel, die in vielen verschiedenen Beiträgen funktionieren.

Wissen, wann man eine Regel brechen muss: Newsschnitt bedeutet auch, tagesaktuell zu arbeiten und vor allem Informationen zu transportieren. Es kommt oft vor, dass von schwierigen Situationen nur wenig bis gar kein Bildmaterial vorhanden ist. Dann gilt es, das Beste daraus zu machen – auch wenn man dafür mal einen Achsensprung oder eine wacklige Einstellung in Kauf nehmen muss. Genrebilder werden beste Freunde und auch wenn man die grundlegenden Gestaltungsprinzipien so weit wie möglich einhalten sollte, ist es wichtig zu wissen, wann man ein Prinzip ignorieren muss.

Um all das noch ein bisschen realitätsnaher zu erleben, begleitet mich doch in diesem Vlog durch einen Tag als Cutterin im Landesstudio Tirol:

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(pru)

1. Planung:
Die Planung des Videos war eher spontan, da ich längere Zeit nicht wusste, ob ich es im Studio drehen darf. Die finale Zustimmung kam schlussendlich kurzfristig und überraschend. Es brauchte viel Abstimmung mit dem technischen Leiter Klaus Windhager und auch Rücksprachen mit der Landesdirektorien Esther Mitterstieler. Sie waren aber sehr bemüht mir das Video zu ermöglichen, allerdings unter der Auflage, dass ich es grösstenteils in meiner Freizeit drehen muss und meine Arbeit unter keinen Umständen beeinflussen darf. Für mich selbstverständlich, aber äusserst herausfordernd. Das hat die Planung zeitlich in die Länge gezogen, denn ich musste koordinieren, dass ich frei hatte, genügend los war im Studio und ich aber auch Schnitte hatte einerseits mit Redakteuren die kein Problem damit haben aufgenommen zu werden, andererseits mussten es Schnitte sein, bei denen ich genug Zeit hatte nebenbei zu drehen. Ein Punkt, den ich beim nächsten Mal anders machen würde, ist noch früher mit der Planung und Abklärung anzufangen.

2. Umsetzung:
Ursprünglich wollte ich den Vlog auch ganz dem Titel nach, chronologisch an einem Tag drehen, aber aufgrund der Dienstpläne und den oben genannten Auflagen meiner Vorgesetzten musste ich an mehreren verschiedenen Tagen drehen und dafür natürlich auch jedes mal vor Ort sein. Insgesamt wurde der Vlog an drei verschiedenen Tagen aufgenommen. Das brachte die Herausforderung mit sich, dass ich auf die die Kontinuität schauen musste. Ich musste darauf achten, dass das Video einen flüssigen Ablauf hat, obwohl die Szenen zu unterschiedlichen Zeiten aufgenommen waren. Der Plan, den ich hatte, war etwas starr, da ich mich auf den Ablauf des Studiotags konzentrieren wollte, aber diesen Ablauf erst im Nachhinein zusammensetzen konnte.
Auch wenn ich nur ungern «lüge» und im Video behaupte einen flüssigen Tag darzustellen, bin ich der Meinung, dass der «Vlog» ein erzählerisches Format ist, das auch aus unterschiedlichem Material bestehen kann. Am Ende stellt das Video einen Tag dar, so wie im Titel geschrieben.

3. Postproduction:
In der Postproduction konnte ich dann wegen den drei Drehtagen, nicht einfach der Reihenfolge der Videoaufnahmen folgen. Ich musste die Clips entsprechend ihrer Kontinuität neu zu ordnen und verbrachte deswegen mehr Zeit als gedacht mit sichten des Materials. Ich musste eine logische Abfolge von Ereignissen aufbauen und sowohl verständlich, als auch interessant verpacken. Ich wollte auch grafische Elemente einbauen, um dem Video einen modernen, Social-Media-Charakter zu verleihen. Der kreative Aspekt war aber zeitaufwändig, und ich musste aufpassen, dass die Elemente die Storyline unterstützten, ohne sie zu überladen. Die vielleicht klein wirkenden Einblender waren überraschend aufwändig und da ich zwar Premiere Pro sehr gut beherrsche, Photoshop aber überhaupt nicht, musste ich hier einige Zeit aufwenden um die Einblender einigermassen realistisch und auch effizient gestalten zu können.
Ich hätte hier mehr Zeit in die Feinabstimmung der Übergänge und der visuellen Effekte investieren sollen.

4. Zielgruppe:
Das Ziel des Videos ist es, den Erstsemester-Studierenden einen Einblick in den Beruf des Cutters zu geben und ihnen eine Vorstellung davon zu vermitteln, was sie nach ihrem MMP-Abschluss mit dem Diplom machen könnten. Die Tonalität des Videos ist bewusst casual gewählt, um die Studierenden direkt anzusprechen und eine entspannte Atmosphäre zu schaffen. Das Ziel ist, sie zu motivieren und zu zeigen, dass der Beruf vielseitig und spannend ist, aber auch mit Herausforderungen verbunden. Es war mir wichtig, das Video so zu gestalten, dass es nicht nur informativ, sondern auch ein bisschen unterhaltsam ist, um die Erstis nicht gleich abzuschrecken. Rückblickend finde ich, dass die informelle Ansprache gut funktioniert hat, aber vielleicht hätte ich noch ein bisschen mehr auf die praktischen Tipps und das Berufsbild eingehen können, um eine noch klarere Vorstellung von der beruflichen Perspektive zu geben.