Einblicke in den Wohnalltag in Schweizer Asylzentren

Bundesasylzentren sind der Öffentlichkeit im Normalfall nicht zugänglich. 
Die Bevölkerung erhält dadurch kaum persönlichen Einblick in den Wohnalltag von Asylsuchenden. 
Ohne eine umfassende journalistische Berichterstattung könnte ein lückenhaftes oder unzureichendes Bild der Lebensrealität vor Ort entstehen, welches sich in einer direkten Demokratie wiederum auf migrationspolitische Entscheide auswirken könnte. Doch auch für Medienschaffende, ist der Zutritt nur auf Absprache möglich. 
Ist so journalistische Kontrolle noch möglich?

Asylsuchende verbringen insgesamt eine ziemlich lange Zeit während, aber auch nach ihres Verfahrens in Asylzentren.
Die erste Etappe (max. 140 Tage) verbringen sie im Normalfall in Bundesasylzentren.
Für deren Betrieb ist das Staatssekretariat für Migration (SEM) verantwortlich. Jedoch beauftragt es hierzu private Unternehmen.
Immer wieder tauchen Berichte auf über Missstände oder auch Gewalt gegenüber den Bewohner:innen. 
Die Verordnung des Eidgenössischen Justiz und Polizeidepartment (EJPD) „über den Betrieb von Zentren des Bundes und Unterkünften an den Flughäfen“ lässt einen Zutritt von Aussenstehenden aber nur unter Absprache zu. Somit sind Medienschaffende auf eine offene Zusammenarbeit mit dem SEM oder den Zuständigen des Zentrumsbetriebs angewiesen. 
Gerade auch weil es sich um eine Zuständigkeit des Bundes handelt, sollten Journalist:innen ihren Auftrag als „public watchdogs“ erfüllen und die Zustände vor Ort kontrollieren können.

In der Thesis wollte ich deswegen untersuchen, inwiefern sich die Zutrittsbeschränkungen einerseits auf die Qualität der Berichterstattung auswirken und andererseits, ob es einen möglichen Konflikt gibt mit den im Pressekodex erklärten Rechten und Pflichten von Journalist:innen. Gleichzeitig sollte aber auch die medienethische Verantwortung von Journalist:innen bezüglich der Wahrung der Menschenwürde und Privatsphäre der Bewohner:innen nicht vernachlässigt werden.

Dementsprechend wurde ein praktischer, medienrechtlicher und medienethischer Blick auf die Verordnung und ihre Auswirkungen geworfen. So lautete die Fragestellung:

“Wie wirken sich Zutrittsbeschränkungen für Medienschaffende zu Schweizer Bundesasylzentren
auf Basis der Verordnung des EJPD auf die journalistische Qualität ihrer
Berichterstattung über den Alltag der Bewohner: innen aus und inwiefern lassen sie sich
vereinen mit den durch den Schweizer Presserat erklärten Rechten und Pflichten von
Journalist: innen?”

Untersucht wurde sie mit einer Literaturrecherche zu journalistischen Aufgaben in demokratischen Staaten, der Rolle des Presserats und seines Journalistenkodex, sowie journalistischer Qualitätskriterien. Zudem wurden insgesamt vier Expert:innen-Interviews mit der Geschäftsleiterin des Presserats, einer Medienethikerin sowie zwei Medienschaffenden durchgeführt.

Im Lehrprojekt wurde der Versuch eines Einblicks in den Zentrumsalltag gewagt:
Das Projekt «Auf der Wartebank» widmet sich dem Versuch, den repetitiven, häufig von Stress und Ohnmacht geprägten Alltag von Asylsuchenden in Schweizer Asylzentren spürbar zu machen. Zuschauer:innen durchlaufen einen ganzen Tag im filmischen-Point-of-View einer asylsuchenden Person. Dabei werden sie immer wieder zu Handlungsentscheidungen aufgefordert. Je nachdem, für welche Option sie sich entscheiden, wird eine andere Szene abgespielt. Das Publikum soll so eine möglichst immersive Erfahrung durchlaufen. Die interaktiven Entscheidungen und subjektive Kameraperspektive sollen die Lebens-Umstände (begrenzte Privatsphäre & finanzielle Mittel, Sprach-Barriere, ständige Ungewissheit…) spür- und erlebbar machen.

In der Entwicklungsphase des Drehbuchs haben wir zahlreiche Gespräche mit (ehemaligen) Asylsuchenden und Betreuungspersonen geführt. Ihre Schilderungen und Erlebnisse bilden die Basis aller Szenen und Dialoge.

 Generell war es uns wichtig, als Filmemacher:innen nicht das Wort für involvierte Personen zu ergreifen. So haben alle Menschen vor und hinter der Kamera, sowie in der Beratung und Begleitung des Projekts eine Zeit lang in Schweizer Asylzentren gelebt oder gearbeitet.
Sie sind und bleiben die Stimmen und Gesichter des Projekts.

Der Film befindet sich zurzeit noch in der Postproduktion.
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Ein paar Einblicke in die Filmszenen:

Ein paar Behind the Scenes-Einblicke: