Hommage an Peter Thomas
Dieser Beitrag wird Peter Thomas gewidmet – ein Filmkomponist, der im Mai dieses Jahr von uns gegangen ist. Mit einer Eigenimprovisation von seinem berühmtesten Werk «Raumpatrouille Orion» nimmt Thibaud Thomas Abschied von seinem geliebten Grossvater.
Im Gespräch mit Thibaud Thomas
Als jüngerer Sohn der Familie von Philip Thomas und Anja Lindner ist 1993 Thibaud Thomas geboren. Sein Grossvater Peter Thomas war es, der ihm die Musik im wahrsten Sinne des Wortes, in die Wiege gelegt hatte: «Ich selber kann mich nicht mehr daran erinnern, aber meine Mutter hat mir mal erzählt, dass Opa oft an unserem Klavier sass, wenn er zu Besuch kam. Jedes Mal, wenn er zu spielen begann, sei ich augenblicklich ruhig gewesen und hätte nichts anderes gemacht, als zugehört.»
Schon damals zeigte sich, dass Thibaud ein Interesse an der Musik hat und daher überraschte es niemanden, als er sich im Sommer 2016 dazu entschied, an der Hochschule in Luzern Jazz-Schlagzeug zu studieren. Die einzige Person, die etwas dagegen hatte, war überraschenderweise sein Grossvater. «Musik müsse man leben», «Wieso willst du Schlagzeug studieren? Wennschon, dann Klavier.», «Du willst als Musiklehrer Geld verdienen – schöne Scheisse.» Sein Opa war zu Beginn nicht sehr begeistert von Thibaud’s Zukunftsplänen. Für ihn kam diese Reaktion unerwartet. Allerdings motivierte sie Thibaud zusätzlich: «Ich wollte meinem Opa beweisen, dass dies der richtige Weg für mich ist.»
Die anfängliche Skepsis legte sich aber rasch, nachdem Thibaud seinen Grossvater in Lugano besucht hatte und dieser positiv überrascht war von dem bereits im Studium gelernten. Von diesem Zeitpunkt an bildete sich zusätzlich zum familiären Bündnis eine musikalische Freundschaft: Per E-Mail und Telefon tauschten sie sich über Neuerscheinungen in der Musikindustrie aus, besprachen Thibaud’s Kompositionen und Peter berichtete über prägende Erlebnisse der vergangenen 80 Jahre. «Einen Satz, den Opa beinahe jedes Mal sagte «Komponiere jeden Tag! Nur so lernst du es und wirst besser». Aber für mich war es schwierig, dies umzusetzen. Für meinen Opa war die Musik alles. Er hat sein Leben mit und um die Musik herum aufgebaut und stets seine Ideen entwickelt und war bis zu seinem Lebensende hin kreativ. Ich habe den Luxus, machen zu können, was ich will. Studiere in meiner sicheren Blase in Luzern und spiele meine Konzerte. Und wenn ich mal einen Tag nicht übe, plagt mich höchstens mein Gewissen. Mein Opa hat jeden Tag Musik gemacht. Er hat sich nicht mal die Frage gestellt, ob er denn heute Musik machen möchte – es gehörte zu seinem Leben.»
Diese verschiedenen Einstellungen seien nicht immer einfach gewesen. Thibaud hatte oft das Gefühl, seinen Grossvater zu enttäuschen und seinen Erwartungen nicht gerecht zu werden. Vor ca. drei Jahren begann Thibaud, nebst dem Schlagzeugunterricht, auch Klavierstunden zu besuchen, was seinen Grossvater extrem erfreute. Er schickte ihm Stücke, die er lernen sollte und gemeinsam in Lugano spielten sie vierhändig Klavier. Sein Grossvater wollte stets genau wissen, woran er gerade arbeite und ermutigte ihn, noch mehr zu machen.
«Lange habe ich von mir behauptet, ich könne nicht wirklich Klavier spielen. Ich hatte Mühe, mich mit dem Instrument identifizieren zu können. Doch die Gespräche und Rückmeldungen meines Opas gaben mir Selbstvertrauen und mittlerweile kann ich hinter meinem Spiel stehen und sagen: Ich kann Klavier spielen», sagt er mit einem Schmunzeln im Gesicht.
Die Raumpatrouille ist die Galionsfigur von den Werken Peter Thomas – wer die Serie kennt, der kennt auch ihn. Kritiker behaupten sogar, dass die Titelmusik der Kult-Serie mit zum Erfolg geführt hat. Als Peter Thomas im Mai verstarb und man über die Abdankung diskutierte, war Thibaud schnell klar, dass er für seinen Grossvater spielen möchte. «Ein letztes Mal für Opa spielen. Ich wusste, dass er mich hören wird.» Mit seinem Vater entschied er sich dann für zwei Stücke: die Raumpatrouille, als Piano-Solo Variante und eine Eigenkomposition, die er mit seinem Grossvater erarbeitet hatte.
«Als ich in der Kirche die Raumpatrouille spielte, gab es einen Moment, in dem ich voll und ganz in der Musik war. Ich nahm nur meine Hände wahr und diese spielten wie von alleine. Für mich war es, als würde ich nur für Opa spielen und steckte so viel Gefühl und Liebe in das Spiel, wie es nur ging. Diesen Moment werde ich nie vergessen.»
Im Gespräch mit mir
Dieses Projekt war für mich von grosser Bedeutung. Einerseits, weil mir die Familie einen persönlichen Einblick in ihr Leben gab. Andererseits bekam ich die Möglichkeit, einen emotionalen Prozess mit einem Beitrag zu begleiten. Doch nicht nur das – für mich war es das erste Mal, dass eine Abdankung mit Musik von einem Familienmitglied begleitet wurde. Noch nie habe ich Thibaud so vertieft und so emotional Klavier spielen sehen. Bereits bei den ersten Tönen schoss mir das Wasser in die Augen und obwohl mir «Raumpatrouille Orion» bekannt war, hörte es sich an, als ob das Lied nie anders gespielt wurde. Das war der Moment, in dem mir klar wurde, dass diese Musik nicht in den vier Wänden der Kirche bleiben darf. Und das kam dabei heraus.
(spu)
Idee
Für Thibaud und seine Familie ist es eine Herzensangelegenheit, dass die Musik von Peter Thomas nicht in Vergessenheit gerät. Mir schwirrte der Gedanke für ein derartiges Projekt schon länger im Kopf herum und nun hat sich ein guter Zeitpunkt dafür ergeben. Ein Projekt, welches mit so viel Emotionen verbunden ist, stellte mich vor Herausforderungen, aber war zugleich auch eine wahnsinnige Bereicherung.
Standort
Zuerst mussten wir uns auf die Suche nach einem Flügel machen. Das war gar nicht so einfach. Durch Covid-19 war es uns nicht möglich, einen Musikraum an der Fachhochschule Luzern zu reservieren. Und viele Bekannte, mit einem Flügel Zuhause, kennen wir leider auch nicht. Wir haben dann aber eine Aula an einem Gymnasium in Bern gefunden, welche uns diesen Raum kostenlos zur Verfügung gestellt hat.
Filmen
Bewaffnet mit einer einfachen Kamera, Mikrophons, EINER Glühbirne und alle notwendigen Requisiten machten wir uns an einem regnerischen Sonntag auf den Weg in die Aula. Wir haben alles abgedunkelt, eingerichtet und waren ready für die ersten Aufnahmen. Doch es dauerte keine 15 Minuten, da machte es «kliiiirrrrr» – die (leider zu wenig gut) befestigte Glühbirne fiel auf den Boden. Tja, Pech gehabt, denn an eine Ersatzglühbirne habe ich definitiv nicht gedacht.. Der erste Drehtag war somit schneller beendet, als gewollt.
Beim 2. Anlauf hat dann alles planmässig geklappt und diesmal habe ich sogar an zwei Glühbirnen gedacht (die wurde aber glücklicherweise nicht benötigt 😉 )
Setting
Das Setting wollte ich möglichst schlicht halten. Eine dunkle Umgebung mit einem Lichtpunkt fand ich eine passende Idee, damit der Fokus auf dem Spielen und der Musik liegt. Dabei war es mir wichtig, dass so die Emotionen möglichst echt hinüberkamen. Deshalb wollte ich auch keine oder nur wenige statische Aufnahme machen. So entstanden auch die warmen, verschwommen und etwas verwackelten, eher dunklen, Aufnahmen.
Audio
Bei der Audioqualität gibt es noch verbesserungspotenzial. Vor allem Thibaud war mit der Aufnahme nicht zufrieden. «Aus einem Flügel könnten wir noch mehr herausholen» waren seine Worte. Wir haben uns aber dennoch gegen eine erneute Aufnahme entschieden, da der Zeitaufwand zu gross gewesen wäre. Nach der Post Production waren wir dann aber beide mit dem Ergebnis zu frieden.
Adobe Premiere
Mit dem Trick «In | Out» konnte ich gut die brauchbaren Sequenzen herausfiltern und passend einsetzen. Mittlerweile habe ich den Dreh raus und finde das Programm super. Die grösste Schwierigkeit lag darin, dass seine Hände immer mit der Musik übereinstimmten. Das beanspruchte am meisten Zeit.
Interview
Das Interview war sehr emotional. Thibaud erzählte mir offen und ehrlich private Dinge über sein Leben. Er gab mir unterschiedliche Einblick in sein Familienleben und er war manchmal sogar selber überrascht, was ihm wieder für Geschehnisse in den Sinn gekommen sind. Sehr spannend und wirklich emotional.
Learnings
Mir war es wichtig, dass ich den Vorstellungen der Familie irgendwie gerecht werde. Deshalb versuchte ich, möglichst viele Emotionen herüber zu bringen – mit dem Video, ebenso wie mit dem Text. Ich habe viel in diesem Projekt gelernt. Nicht nur technische Aspekte, sondern auch, wie mit emotionalen Themen umgegangen wird. Ich habe viel über den Umgang mit Trauer gelernt und wie ich in solch einer Situation funktioniere. Ich hätte gerne mehr Zeit hinein gesteckt, einige Sachen nochmals gefilmt oder erneut eine Audiosession aufgenommen. Nichtsdestotrotz bin ich mit dem Ergebnis sehr zu frieden. Und ich hoffe, die Familie Thomas / Lindner auch 🙂