Imperfections – Die Hälfte einer EP
Vier Jahre lang stand ich mit meiner Stimme nicht mehr am Mikrofon. Hauptsächlich aus Frust und Angst mir selbst gegenüber.
Singen war mir nie fern, jedoch empfinde ich meine Stimme als nichts Spezielles, ausserdem scheint es mir immer eine sehr intime Form der Musik und des Ausdrucks zu sein. Trotzdem bereitet es mir Freude, kleine Texte zu schreiben und diese in Melodien zu packen, nur habe ich kaum den Mut, diese anderen zu zeigen. Sicher auch aus Angst, dass es als lächerlich oder «zu wenig gut/professionell» aufgefasst werden könnte, da ich selbst auch fernab von einem gelernten Sänger oder Texter bin. Als ich die Band «Son Lux» entdecke und ich mit Begeisterung in ihre Klangwelten eintauchte, ist mir aufgefallen, dass der Sänger, obschon sehr souverän und treffsicher, auch nicht eine «klassische» Sängerstimme hat. Und trotzdem würde jemand anders gar nicht in diese Soundscapes passen. Das brachte mich zum Schluss, ausserhalb meiner engen Box zu denken und Musik zu schreiben, zu der meine Stimme einzig eine Ergänzung der Klangästhetik ist und nicht, wie man das klassisch kennt, als Leadelement, zu dem die Musik nur Begleitung darstellt.
Ebenfalls dachte ich in erster Linie nicht an einen herkömmlichen Songaufbau, sondern spielte und schrieb die Elemente vorerst einfach so, wie sie gerade am besten zueinander passten. Natürlich hat sich im Prozess immer mehr herausgeschält, was sich als Refrain eignen könnte, trotzdem wollte ich am Ende in der Struktur möglichst frei bleiben. «Take It All» ist definitiv freier und ungewohnter in Struktur und Rhythmik als «Winter Breaks In». Letzteres ist auch etwas klassischer entstanden, wobei dort der Schwerpunkt eher auf dem Wohlklang und den perlenden Klängen der Musik lag.
Um eine zusätzliche persönliche Note einfliessen zu lassen, habe ich noch Klarinettenparts eingespielt, welche mir in meinen eigenen Kompositionen oft ein Dorn im Auge sind, da ich sie selten als passend zur Klangwelt empfinde.
Imperfections, habe ich die EP (oder zumindest die Hälfte davon, die bis jetzt existiert) genannt, weil ich einen möglichst natürlichen Klang auf Stimme und Klarinette haben wollte. Ich habe eine Tendenz dazu diese zwei Elemente mit Effekten zu überladen, sodass sie schlussendlich kaum noch dem originalen Klang entsprechen. Das kommt wohl von einer gewissen Unsicherheit und somit dem Bedürfnis mich zu verstecken. In diesem Projekt jedoch, ist die Stimme, abgesehen von einem EQ und ganz wenig Reverb, sehr nahe an der Originalaufnahme. Dazu kommt, dass sie in «Take It All» nicht pitchcorrected ist. Somit sind bei Stimme und Klarinette gewisse Imperfektionen, welche nunmal dazugehören. Man muss nicht immer alles korrigieren, verschönern, verbessern. Ab und zu etwas Charakter in der überproduzierten und perfektionierten Musikwelt schadet nicht.
01 Winter Breaks In
02 Take It All
Projektfile von «Winter Breaks In»
Projektfile von «Take It All»
(bas)
Cons
Ich hätte gerne eine 4-Track-EP aus den beiden Songs gemacht. Dann wäre der Plan gewesen zwei Songs gesungen, zwei rein Instrumental. Da ich aber für beide sehr viel Zeit investieren musste, konnte ich die anderen beiden nicht fertigstellen, zumindest sicher nicht zufriedenstellend. Somit ist es bei diesen zwei Tracks geblieben.
An dem Tag, als ich die Klarinette für «Take It All» aufgenommen habe, gefiel sie mir zwar klangfarblich sehr gut, jedoch war es sehr warm und sie war nicht Tonrein. Somit konnte ich sie kaum stabil spielen und musste im Nachhinein Pitchkorrektur verwenden, was mich etwas betrübte, da es ja eigentlich gegen meine «Regel» für die EP verstösst.
Auch die Stimme in «Winter Breaks In» ist leider Pitchcorrected, da ich es, trotz dutzenden Versuchen an verschiedenen Tagen, nicht hingekriegt habe, die Passagen genug Akkurat zu singen, dass es nicht allzu stark auffällt. Der Song lässt es musikalisch auch kaum zu, dass der Ton mal etwas hoch- oder abrutscht, da die Instrumentierung sehr clean und rein ist. Dann fällt sofort auf, wenn etwas leicht daneben ist.
Pros
Allerdings ist die Klarinette für «Winter Breaks In» gar nicht pitchcorrected, was mich sehr erfreute. Sie ist ein Schülerinstrument, daher sowieso nicht besonders Tonrein. Stimmt sie in den Tiefen, stimmt sie in den Höhen nicht und umgekehrt. Trotzdem ging es an dem Tag als ich die Klarinette für diesen Track aufgenommen habe irgendwie auf, dass sie sowohl tonhöhenmässig, als auch klanglich sehr gut funktioniert hat.
Wie schon erwähnt, ist die Stimme in «Take It All» ebenfalls nicht pitchcorrected. Es waren zwar mehrere Versuche und sehr viel Üben dazu nötig, aber schlussendlich ist das Resultat, zumindest für mich, zufriedenstellend. Ein geschulter Vocalist würde mir womöglich widersprechen.
Fazit
Insgesamt bin ich ziemlich zufrieden mit dem Endresultat. Ich habe mich immer noch nicht ganz an den Klang meiner eigenen Stimme gewöhnt, aber je länger ich damit arbeite, desto weniger fremd wird es. Einige Stellen im Mix gefallen mir immer noch nicht ganz, aber irgendwann müssen solche Projekte eben auch mal fertiggestellt werden, perfekt wird es in der eigenen Betrachtung sowieso nie.