Montagerhythmus in 180° Videos
Die Technologie der virtuellen Realität (VR) hat in den letzten Jahren aufgrund ihrer vielfältigen Einsatzmöglichkeiten deutlich an Bedeutung zugenommen. Ein massgeblicher Antrieb für diese Entwicklung ist das Format «Cinematic Virtual Reality». Es ermöglicht die Darstellung von 180°- und 360°-Videos zusammen mit Raumklang. Mithilfe einer VR-Brille kann der Benutzer die Filme in diesem Medium individuell erleben und erkunden.
Dieses neue Filmformat für VR-Brillen unterscheidet sich signifikant vom traditionellen Film. Es schafft das Gefühl, an einem anderen Ort zu sein und gibt den Nutzern die Freiheit, sich im virtuellen Raum selbstständig umherzusehen. Dadurch verschiebt sich u. a. die Wahl des Bildausschnitts vom Regisseur zum Zuschauer. Gestaltungsregeln für Filme müssen bei der Herstellung von Cinematic VR-Content an diese Gegebenheiten angepasst oder neu überdacht werden. In der Montage liegt die Herausforderung darin, dem Benutzer genügend Zeit zu geben, die Szene zu erkunden und dennoch die Geschichte voranzutreiben. Aus diesem Spannungsfeld unterschiedlicher Anforderungen an den Schnittrhythmus in Cinematic VR ergibt sich folgende Fragestellung:
Inwiefern wirkt sich der Montagerhythmus auf das Gefühl der Präsenz, die Erkundungsfreiheit, das Orientierungsvermögen im Raum und das Verständnis für die Geschichte bei der Rezeption eines 180°-Videos aus?
Mit dieser Frage beschäftigt sich meine Bachelorthesis. Um herauszufinden, was mögliche Auswirkungen des Montagerhythmus auf diese Merkmale sind, habe ich eine Befragung im Experimentaldesign durchgeführt. Dafür wurden drei Varianten eines Stimulus einer Gruppe von Testpersonen in randomisierter Reihenfolge präsentiert und die Ergebnisse ausgewertet.
Die Resultate zeigen, dass die Wahrnehmung von Präsenz und das Vermögen zur Orientierung bei einer hohen Schnittkadenz reduziert ist. Auch die Verständlichkeit der Geschichte ist vermindert. Im Gegensatz dazu scheint die Fähigkeit zur Erkundung einer Szene in Verbindung mit einem höheren Schnittrhythmus zu steigen.
Das Lehrprojekt setzt nicht nur die Erkenntnisse aus der Thesis um, sondern adaptiert etablierte traditionelle Montagetechniken an das neue Format. Dafür habe ich eine Reportage im stereoskopischen 180° Format gedreht, in der ich dem Mythos der «grünen Fee», wie der Absinth genannt wird, auf den Grund gehe. Dafür begebe ich mich auf eine Reise in das Val-de-Travers und besuche verschiedene Protagonisten, um der Legende der «grünen Fee» auf die Spur zu kommen.