Ödland – Produzieren einer Zwei-Track-EP
Seit Beginn des Studiums ist die Musik aus meinem Leben abgehauen. Sie hat sich zusammen mit der Freizeit aus dem Staub gemacht. Deswegen wollte ich ihr im Rahmen von Digezz meine 122 Stunden widmen.
Wenn ich alleine Musik mache, fühle ich mich häufig limitiert. Als kaum technisch geschulte Singer-Songwriterin in einer übelst schlecht isolierten Wohnung aus dem 1. Weltkrieg, kann ich abends nach der Uni und Arbeit nur mässig auf den Putz hauen. Zudem sprudelt aus mehr Instrumenten und Köpfen auch einfach mehr Vielfalt.
Schon lange spiele ich deswegen mit dem Gedanken, mit einer Producing-Software herumzuexperimentieren und herauszufinden, was damit alles möglich ist. Also habe ich mich an Amateur-Recordings im zusammengebastelten Low-Budget-Home-Studio gewagt und diese mithilfe von Ableton Live Suite 10 ausgestaltet. Entstanden sind zwei Songs, die wohl am ehesten an 90s Post-Punk oder New Wave erinnern.
ÖDLAND – by SONORONDA
01 Verbrannte Erde
02 Zeitgleist
SONORONDA auf SoundCloud
Zusätzlich habe ich noch ein Design-Konzept für ein mögliches Vinyl-Cover und Release-Poster ausgearbeitet.
Mockups Cover
Mockups Poster
Studio-Einblicke
(dbo)
Song-Writing
Als Basis für die Tracks habe ich zwei Texte inklusive Harmonien vorbereitet.
Wie genau ich Songs schreibe, kann ich selbst nicht richtig sagen.
Es ist immer anders. Meistens habe ich ein starkes Gefühl oder eine wirre Situation, die ich irgendwie rauslassen oder einordnen muss. Dieses Mal wollte ich meiner Wut Raum geben. Deswegen handeln die entstandenen Tracks eher von unangenehmen Themen.
Der erste Titel «Verbrannte Erde» handelt von der Erfahrung einer toxischen und gewaltgeprägten Liebesbeziehung, die durch Adrenalin und Glückshormone zwar süchtig macht, aber auf beiden Seiten nur Verwüstung und Staub hinterlässt. Namensgebend ist eine Kriegs-Taktik, bei der alles zerstört wird, was der Gegenpartei irgendwie nützen könnte (Infrastruktur, Transportmittel…). Dabei leidet meist auch die eigene Zivil-Bevölkerung. Die beiden Parteien bekämpfen sich wie im Rausch weiter und zerstören dabei nicht nur die Gegenseite, sondern auch sich selbst.
Beim zweiten Track «Zeitgleis» thematisiere ich eine Zugfahrt von Zürich nach Oerlikon. Neben mir unterhielten sich zwei Männer in übelst sexistischer Art und Weise über ihre geplanten Tinder Dates. Wer in der linken Bubble lebt, vergisst manchmal, das wir uns bezüglich Sexismus noch immer mitten im Wandel befinden.
Während der Pandemie war das Leben aus der Stadt komplett verschwunden. Gependelt und gearbeitet wurde aber noch immer. Spürbar blieben also nur der Dichtestress und die kalte Hektik. Zur Unterstreichung dieses Gefühls der Entfremdung im Betondschungel gepaart mit dem frustrierenden Erlebnis passte der Gedanke eines peitschenden und düsteren New Wave Tracks.
Recording
Alle Songs habe ich im Home-Studio gebastelt. Das Equipment umfasste ein zum Midi umfunktioniertes E-Piano, eine Akustik- sowie E-Gitarre, ein Nierenmikrofon mit Pop-Schutz und die Software «Ableton Live Suite 10».
Die Basis für «Verbrannte Erde» war eine rhythmische akustische Gitarre gepaart mit einem Bass-lastigen Lick. Anschliessend wurden die Drums zusammengebastelt. Inspiriert hat mich dafür der Song «Reckoner» von Radiohead. Dazu kamen dann noch weitere verzogene Gitarrentöne, Atmosphären-Sounds und ein wummernder Bass.
Zum Schluss habe ich die Lyrics einerseits melodisch eingesungen, aber auch gesprochen. So konnte ich mit den verschiedenen Klangfarben ein wenig herumspielen.
Bei «Zeitgleist» liess ich mich inspirieren von den New-Wave Bands «Lebanon Hanover» und «Boy Harsher». Bei der tragenden und an Bass erinnernden Gitarre orientierte ich mich an den Klangfarben von «La Femme». Mit ein paar hässigen Drums und weiteren Gitarren-Licks floss die Betondschungel-Hektik ein. Die Lyrics habe ich bei diesem Track ganz im New-Wave Style mit monotoner Morgenstimme eingesprochen.
Design
Passend zur Post-Punk und New Wave Atmosphäre, wollte ich ein eher brutalistisches Design wählen. Zur Inspiration habe ich mich durch Covers meiner Lieblingsbands der 80er/90er, aber auch der Gegenwart gewühlt.
Mein Bruder Gian Egger studiert Visuelle Kommunikation an der ZHdK. Im Rahmen eines Moduls fotografierte er gemeinsam mit Remo Alessandro Wyss Steine und Berglandschaften in Analog und liess deren Grauwerte per Laser auf Holzplatten gravieren. Mit diesen wurde dann auf Papier gedruckt. Als ich die Prints sah, war ich sofort verliebt. Das war genau die Optik, nach der ich Ausschau hielt. Er überliess mir einen der Prints zur freien Verwendung für die Designs. Entstanden sind schlichte Schwarz-Weiss Grafiken mit klaren Linien.¨
Erste Schritte
Leider war ich als komplette Anfängerin im Produzieren noch sehr limitiert. Sowohl was das Wissen zu optimalem Recording als auch die Bearbeitung in Ableton angeht. Das bedeutete, dass ich mich durch zahlreiche technische Manuals und Tutorials wühlen musste. In vielen Fällen wusste ich nicht einmal genau, nach was ich suchen muss oder wie eine Idee umsetzbar wäre. Da half nur Ausprobieren, Ausprobieren, Ausprobieren bis in die späte Nacht hinein (die Nachbarn lassen grüssen).
Ich bin mir sicher, dass viele Aufnahmen, vor allem die der Stimme, noch viel professioneller umgesetzt werden könnten. Hier musste ich jeweils einfach mit dem arbeiten, was vorhanden war. Zwar kann im Programm noch viel herumgebastelt werden, aber eine mangelnde Original-Qualität der Aufnahmen kann nur bedingt ausgeglichen werden.
Deswegen freut es mich umso mehr, nächstes Semester im Minor Make it Sound tiefer in den Prozess rund um Tonaufnahmen einzutauchen.
“Inspiration exists, but it has to find you working.”
Immer wieder stellte sich für mich die Herausforderung einer kreativen Blockade. Es ist fast unmöglich Muse gezielt in einen vollen Terminplan zu packen. An vielen Tagen, die ich mir für das Projekt reserviert hatte, verlor ich mich im Herumstudieren an den zahlreichen Möglichkeiten.
Manchmal konnte ich mir genau vorstellen, was der Track noch brauchte, aber wusste einfach nicht, wie ich es umsetzen könnte. Sowohl Instrumental als auch Technisch probierte ich manchmal stundenlang eine Idee aus, die ich dann im Endeffekt trotz allem wieder verwarf, weil sie doch nicht das fehlende Etwas war.
Zusätzlich bereitete es mir Schwierigkeiten vom akustischen Live-Musizieren ins elektronische Produzieren umzudenken. Nicht alles, was live in einer Band möglich gewesen wäre, konnte ich mit den begrenzten Tonaufnahme-Möglichkeiten umsetzen. Hierfür hätte ich ein isoliertes Studio und geeignetes Equipment zur Aufzeichnung benötigt. So musste ich beispielsweise auf krasse Overdrive-Gitarren verzichten, da ich in Ableton einfach keinen geilen Sound hinbekam.
Oftmals musste ich auch Distanz nehmen von den Tracks, da ich nach tausend Mal anhören kaum mehr differenziert erkennen konnte, was noch fehlen könnte.
Auch beim Songwriting ist es schwierig, die Dinge zu erzwingen. Es fiel mir sehr schwer, den Zeitdruck der Abgabe auszuhalten. Bei anderen Projekten kann ich vorarbeiten oder kontinuierlich planbare Schritte durchführen. In diesem Fall musste ich akzeptieren, dass Ideen nicht auf Knopfdruck fliessen.
Trotzdem ist es wichtig dranzubleiben und sich zu pushen. Einfach regelmässig Zeit einzuplanen, um Auszuprobieren und zu schauen, was passiert. Hier half mir ein Zitat von Picasso zur Motivation: «Inspiration exists, but it has to find you working.»