In der Hoffnung ein neues Leben aufbauen zu können, ist Anas nach einer anstrengenden Reise in der Schweiz angekommen. Er hat ein Asylgesuch gestellt und die Nachricht erhalten, dass ein Asylverfahren mit ihm eingegangen wird. Dies ist heute bereits zweieinhalb Jahre her. Sich richtig entspannen konnte er sich seither nicht, denn er wartet immer noch auf den Entscheid, ob er überhaupt hierbleiben darf oder wieder zurückkehren muss.
Wie funktioniert das Asylverfahren genau? Was kam im Asylprozess bereits alles auf Anas zu und was steht ihm noch bevor?
Ein Asylgesuch ist die Bitte eines ausländischen Staatsbürgers um Aufnahme in die Schweiz. Seit dem 28. September 2012 ist es nur noch möglich das Asylgesuch in der Schweiz selber zu stellen. Einzig das humanitäre Visum kann in einer Schweizer Vertretung im Herkunftsland gestellt werden. Die Person muss sich in einer Notsituation befinden und unmittelbar, ernsthaft und konkret an Leib und Leben gefährdet sein. Das Erlangen eines humanitären Visums ist sehr schwierig und es gibt sehr wenige Ausstellungen. So machen sich die meisten Menschen auf den risikoreichen Weg, so auch Anas, um den Antrag bei uns in der Schweiz zu stellen.
Gelangen die Geflüchteten über den Landweg zu uns, wird das Asylgesuch entweder in einem der Grenzkontrollstellen oder in einem der fünf Empfangs- und Verfahrenszentren des Bundes in Basel, Chiasso, Vallorbe, Altstätten oder Kreuzlingen gestellt. Die Mehrheit reicht das Asylgesuch in einem Empfangs- und Verfahrenszentren ein. Dies impliziert oft das illegale Überschreiten der Schweizer Grenze. Reist die betroffene Person mit dem Flugzeug an, wird das Asylverfahren in der Transitzone des Flughafens abgewickelt. Anas ist mit dem Zug aus Deutschland in die Schweiz gereist und hat sein Asylgesucht im Empfangs- und Verfahrenszentrum in Basel eingereicht.
Danach werden die Personalien registriert, der Asylantragsteller wird fotografiert und seine Fingerabdrücke werden entnommen. Falls vorhanden, werden ihm an diesem Punkt des Prozesses die Identitätspapiere vorerst weggenommen. Zusätzlich kommt es möglicherweise zu einer Prüfung des Gesundheitszustandes. Sobald eine Person ein Asylgesuch gestellt hat, gilt sie als ein Asylsuchender.
Nach der ersten individuellen Befragung beim Staatssekretariat für Migration, kurz SEM, wird entschieden, ob die Schweiz mit der entsprechenden Person ein Asylverfahren eingeht. In Anas Fall wurde ein positiver Entscheid gefällt. Fällt ein negativer Entscheid, muss die Person die Schweiz wieder verlassen. Gründe für einen solchen Entscheid könnten sein, dass die Fluchtgründe rein wirtschaftlich oder medizinisch sind, die ernsthaften Nachteile auf Grund von Wehrdienstverweigerung entstanden sind oder dass bereits ein anderes Land des Dublin Schengen Abkommen für das Asylverfahren zuständig. Der Dublin-Raum umfasst die 28 EU-Staaten sowie die Schweiz, Norwegen, Island und das Fürstentum Liechtenstein. Ist die betroffene Person nicht einverstanden mit dem negativen Entscheid, besteht für sie die Möglichkeit innerhalb von 5 Tagen Beschwerde einzureichen. Kommt es zu einer Beschwerde wird noch einmal entschieden und zwar definitiv, ob es zur Prüfung des Asylgesuchs kommt oder zur Rückkehr in das Heimatland oder den zuständigen Dublin-Staat.
Entscheidet sich das SEM für ein Asylverfahren mit der entsprechenden Person, wird eine zweite ausführlichere Befragung aufgegleist. Sie gilt als Grundlage für den Asylentscheid. Bis es zu dieser zweiten Befragung kommt, kann sehr viel Zeit vergehen, wie Anas Geschichte veranschaulicht, der immer noch auf seine Einladung wartet. Der Asylsuchende muss seine Fluchtgründe genau und glaubhaft schildern und mit Beweismitteln dokumentieren. Sprechen keine speziellen Gründe gegen eine Wegweisung und die Person erfüllt die Flüchtlingseigenschaften nicht, wird ein negativer Entscheid gefällt und die Person muss die Schweiz verlassen. Auch hier besteht die Möglichkeit eine Beschwerde einzureichen, die Frist ist in diesem Fall 30 Tage.
Alle Personen aus dem Asylbereich, die sich nicht straffällig gemacht oder sich missbräuchlich verhalten haben und in ihr Land zurückkehren, ob gezwungenermassen oder freiwillig, haben Anspruch auf eine Rückkehrhilfe. Sie fördert die Rückkehr von asylsuchenden Personen sowie deren Wiedereingliederung im Herkunftsland.
Wird ersichtlich, dass die Person auf asylrechtlich relevante Weise bedroht ist, fällt ein positiver Entscheid und sie erhält ein Bleiberecht. Asylrechtlich relevant bedroht sein könnte beispielsweise heissen, dass das Leib, Leben oder die Freiheit einer Person wegen ihrer Rasse, Religion oder Nationalität gefährdet ist. Das Bleiberecht kann zum einen heissen, dass die jeweilige Person als Flüchtling anerkannt und die Schweiz Asyl gewährt, dann kriegt sie den Ausweis B. Zum anderen kann es bedeuten, dass die Person vorläufig aufgenommen wird, das heisst sie kann so lange in der Schweiz bleiben bis sich die Lage im Herkunftsland normalisiert hat und eine Rückkehr ohne Gefahren verbunden ist. In diesem Falle wird ihr der Ausweis F zugestellt.
Um das Asylverfahren effizienter abzuwickeln, setzt das SEM Prioritäten. Schwach begründete Gesuche werden als erstes behandelt. Danach kommt es zu den mutmasslichen Bleibefällen, welche chronologisch abgearbeitet werden. Das Ziel dieses Vorgehens ist die Reduktion voraussichtlich aussichtsloser Gesuchen, Entlastung des Unterbringbereichs und Senkung der Gesamtkosten im Asylbereich. Das SEM ist zwar bemüht das Asylverfahren so schnell wie möglich zu gestalten. Trotzdem kann es lange dauern und sich sogar über Jahre erstrecken.
Die maximale Aufenthaltsdauer in den Empfangs- und Verfahrenszentren beträgt 90 Tage. Dauert es länger werden die Personen gemäss dem gesetzlich definierten Verteilschlüssel den Kantonen zugeteilt und dort untergebracht. Die Zuweisungsquote der Kantone wird jährlich neu errechnet und basiert auf dem Bevölkerungsanteil der Kantone. Für besondere Leistungen, wie die Zuständigkeit eines Empfangs- und Verfahrenszentrumsen, kriegen die Kantone eine reduzierte Zuweisung. Zudem werden Merkmale wie die Nationalität, Verfahrenskategorie oder Betreuungsintensivität der Fälle sowie Ansprüche der Gesuchsstellenden auf Zuweisung in einen bestimmten Kanton, beispielsweise aufgrund der Einheit der Familie, berücksichtigt. Anas wurde mehrmals an verschiedene Orte transferiert, nach Basel, Luzern und Zürich, wo er heute mit seinem Bruder, dessen Frau und Kind, welches hier geboren wurde, lebt.
Er erhielt, wie alle Asylsuchende, den Ausweis N. Es ist keine Aufenthaltsbewilligung, aber man darf damit in der Schweiz bleiben bis die Entscheidung des Staatssekretariats gefallen ist. Reisen ins Ausland sind in dieser Zeit grundsätzlich nicht erlaubt und es besteht keinen Anspruch auf Familienzuführung sowie die Integrationsmassnahmen des Bundes. In den ersten drei Monaten des Aufenthaltes unterstehen Asylsuchende einem Arbeitsverbot. Die Frist kann unter Umstände um drei weitere Monate verlängert werden. Danach ist es ihnen erlaubt zu arbeiten. Sie sind gegen Krankheit versichert und kriegen, wenn sie nicht selber für ihren Unterhalt aufkommen können, ein Minimum an Sozialhilfegeld. Dieses ist niedriger als das der einheimischen Sozialhilfeempfänger und wird nach Möglichkeit in Naturalien ausgerichtet.
Wie die ersten zweieinhalb Jahre als Asylsuchender in der Schweiz für Anas waren, erfährst du im folgenden Video.
Quellen: Schweizerische Flüchtlingshilfe - Das Asylverfahren, Staatssekretariat für Migration SEM - Asylverfahren, Schweizer Asylgesetz