Ausweis N



Plötzlich in einem neuen Land zu leben ist nicht einfach. Die Sprache, die Kultur, die Religion, die Regeln, das Zuhause, die soziale Umgebung - alles ist für Anas hier bei uns anders. Es sind ganz neue Umstände, an die er sich gewöhnen und anpassen muss. Doch neben den Schwierigkeiten der Integration und der Unsicherheit, ob er in der Schweiz bleiben darf, gibt es ein weiteres Thema, welches Anas grosse Mühe bereitet. Es ist die Arbeitslosigkeit.

Anas ist seit 2015 hier und hat seither keine Arbeit gefunden. So ziehen seine Tage dahin und er versucht mühsam eine Tagesstruktur in die sich endlos aneinanderreihenden Stunden zu bringen. Da Personen mit dem Ausweis N keinen Anspruch auf Integrationsmassnahmen haben, kann er nicht an den vom Bund subventionierten Deutschkursen und Beschäftigungsprogrammen teilnehmen. Das Treffen mit Freunden, das freiwillige Mithelfen in kleinen Projekten, auf freiwilliger Basis angebotene Deutschkurse und der Sport reichen einige Stunden zu füllen. Trotzdem bleibt viel zu viel Zeit übrig, sodass die endlose Freizeit zur Last wird.

Anas ist unglaublich motiviert und will unbedingt arbeiten – egal was. Er ist intelligent, motiviert, aufgestellt, spricht Englisch und kann sich auch auf Schweizerdeutsch verständigen. Gesetzlich ist es ihm erlaubt zu arbeiten und es gäbe viele Interessenten, die ihn gerne als Arbeitskraft an Bord hätten. Wieso wird Anas aber nicht angestellt?

Wenn man etwas tiefer gräbt wird schnell klar, dass das Finden einer Erwerbstätigkeit für Asylsuchende auf Grund von gewissen Bedingungen sehr erschwert wird. Die Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage müssen es erlauben und die orts- und branchenüblichen Lohnbedingungen sowie die Arbeitsbedingungen eingehalten werden. Asylsuchende haben nachrangigen Arbeitsmarktzugangs. Es gilt der Inländervorrang. Das heisst ein Asylsuchender kann nur eingestellt werden, wenn keine Person mit Schweizer Pass, mit einer Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung oder ein Staatsbürger eines Landes, mit dem ein Abkommen über den freien Personenverkehr besteht, eingestellt werden kann. So muss die Stelle zuerst im RAV ausgeschrieben werden. Die Einstellung eines Asylsuchenden ist mit einer grossen Menge administrativer und sehr zeitintensiver Arbeit verbunden, welche vom Arbeitgeber erledigt werden muss. So muss zum Beispiel ein Gesuch des Arbeitsgebers vorliegen, das bestätigt werden muss, bevor ein Asylsuchender eingestellt wird.

Die aufzutreibende Zeit sei für viele Arbeitgeber ein zu grosser Aufwand, meint Anas Asylkoordinatorin, welche ihn im Namen der Gemeinde betreut, auf Anfrage. Die administriativen Aufgaben, die der Arbeitgeber erledigen muss, seien der Grund, dass das Erlangen einer Arbeit bei der Mehrheit der Asylsuchenden scheitere. So auch bei Anas: Immer wieder fände er Arbeitgeber, welche ihn anstellen wollten, dann jedoch absagen, wenn sie erfahren würden, dass er im Besitz des Ausweis N sei. Zusätzlich komme die Unsicherheit, dass Asylsuchende jederzeit wieder nach Hause geschickt werden könnten, welche viele Arbeitgeber abschrecken würde sie einzustellen. Die meisten Asylsuchenden suchten eine Arbeit in der Landwirtschaft oder im Service. Es sei aber unrealistisch, dass diese Branchen alle Voraussetzungen erfüllten. Wenn eine Person mit dem Ausweis N einen Job finde, dann habe er sehr viel Glück.

In der Theorie klingt es machbar als Asylsuchender einen Job zu finden, in der Praxis scheint es aber beinahe unmöglich.

Quellen: Amt für Wirtschaft und Arbeit, Kanton Zürich - Asylsuchende (Ausweis N), Schweizerische Flüchtlingshilfe - Rechtlicher Status, Staatssekretariat für Migration - Ausweis N (für Asylsuchende)






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