Der eine schwul, der andere alt: Unsere Papis erzählen über ihre Familien
Weshalb wird man mit 55 noch Papi und was passiert, wenn das Kind erwachsen wird? Wie geht man damit um, wenn der Papi plötzlich die Mutter verlässt, um mit einem Mann zusammen zu sein? Und wie reagiert das Umfeld auf die Situationen? Die Antworten auf genau diese Fragen liefert dir «zämegwürflet».
Familienkonstellationen von heute sind vielseitiger als früher und überhaupt sind Begriffe wie Patchwork- oder Regenbogenfamilie keine Fremdwörter mehr. Vermehrt sind Familien bunt zusammengemischt – ob mit viel oder wenig (Adoptiv-) Kindern, Grosseltern, die die Erziehung übernehmen oder gleichgeschlechtlichen Eltern. «zämegwürflet» erzählt Familiengeschichten multimedial und beleuchtet die Vielseitigkeit heutiger Familien.
«zämegwürflet» ist ein Herzensprojekt, denn auch wir verbringen jeweils ein wenig mehr Zeit, unsere Familiengeschichten zu erzählen. Deshalb haben wir in den ersten beiden Geschichten das Wort unseren eigenen Papis übergeben.
Peter (80) erzählt, wie es dazu kam, mit 55 Jahren noch einmal Vater zu werden. Dabei berichtet er über die positiven Seiten, aber auch wie er damit umgeht, einen Grossteil des Lebens seiner Tochter verpassen zu können.
Markus (54) lebte 13 Jahre in einer glücklichen Beziehung mit einer Frau, bis er merkte, dass ihn Männer mehr interessieren, als er gedacht hätte. Die Geschichte vom Outing und welche Gedanken er sich bezüglich seiner Tochter gemacht hat, findest du auf zaemegwuerflet.ch.
Idee
Unser Frühlingssemester 2020 war geprägt durch die Corona-Pandemie. Dementsprechend spielte sie auch in der Findung eines passenden Digezz-Projekts eine Rolle. Für uns beide stand fest: Wir wollten etwas umsetzen, was absolut nichts mit Corona zu tun hatte.
Dass wir beide etwas aussergewöhnlichere Familienkonstellationen haben, bemerkten wir schon früh in unserer Freundschaft. Also dachten wir uns eines Tages: Wieso thematisieren wir das eigentlich nicht? Wenn Leute über unsere Papis erfahren, dann haben sie nämlich lauter Fragen. Ausserdem schien es während der Pandemie auch im Rahmen, ein Projekt innerhalb der eigenen Familie umzusetzen.
Beim Brainstorming für die passende Umsetzung schwebten uns «Scrollytelling»-Beiträge, die uns schon länger faszinieren, im Kopf. Eine Webseite mit möglichst vielseitig genutzten Medien sollte also her. Das passte bestens für unsere Idee.
Vorbereitung
- Inhalt
Als erstes besprachen wir, was genau wir inhaltlich erzählen wollten und auf welche Art. Wir beschlossen, die Beiträge unserer Papis gleich aufzubauen. Inhaltlich sollte man zu Beginn kurz eine Übersicht mit Begriffserklärungen (z.B. «Regenbogenfamilie») oder Statistiken (z.B. die Veränderung des Alters von Vätern bei der Geburt) haben. Dann sollte eine Einführung des Papis folgen – diese setzten wir mithilfe eines GIF mit Audio um. Wichtig war uns auch stets, dass alle Inhalte auch auf hochdeutsch verständlich waren. Deshalb versetzten wir alle Audios mit Untertiteln. Beim Interview mit unseren Papis wollten wir sichergehen, dass es sich um Fragen handelt, die Aussenstehende oft stellen. Deshalb haben wir in der Vorbereitung unser Umfeld eingeweiht und nach offenen Fragen recherchiert. Da wir nicht einfach ein 30-minütiges Interview als Video veröffentlichen wollten, haben wir uns überlegt, dass wir die Interview textlich umsetzen und es zusätzlich mit der Audiospur der Antworten beschmücken.
Zur inhaltlichen Vorbereitung gehörte auch eine ausführliche Recherche, bei der wir unter anderem das Bundesamt für Statistik und die Organisation «hab queer bern» kontaktierten.
- Material
Wir nutzten folgende Technik, um die Inhalte zu produzieren:
> Videokamera (Sony PDW X-70) mit Headlight
> Videostativ
> Lavalier, Zoom, Richtmikrofon
> Fotokamera (Panasonic Lumix DC-GX850)
Umsetzung
- Drehtag mit den Protagonisten
Die Drehs organisierten wir an aufeinanderfolgenden Tagen. Dabei gingen wir jeweils gleich vor. Erst suchten wir draussen einen passenden Ort für die Fotos sowie die GIFs. Dann zeichneten wir das Interview auf. Der Aufwand der Drehs hielt sich in Grenzen und dank guter Vorbereitung waren wir sogar schneller fertig als gedacht. Das lag aber auch daran, dass beide Papis überraschend gut vor der Kamera waren und inhaltlich sauber erzählen konnten.
- Produktion und Postproduktion aller Inhalte
Das Rohmaterial stand also. Wir wollten aber sichergehen, dass wir alle Inhalte bereit hatten, bevor wir mit der Webseite begannen.
1. Text
Da wir zuvor recherchierten, fiel es uns recht leicht, die Texte zu schreiben. Es liegt sicherlich auch daran, dass die Thematik mit unserer eigenen Familiengeschichte zu tun hat. Etwas aufwändiger war die Transkription der Interviews. Wir wollten jeweils die wichtigsten Quotes als Text darstellen und das Audio sollte nur ergänzend wirken. Teils war es schwierig zu filtern, welches die wichtigsten Quotes waren und welche auch einfach im Audio zu hören sein konnten.
2. Bilder
Die Bilder bearbeiteten wir nur ganz simpel in Lightroom. Sie sollten natürlich wirken und wir hielten uns bei der Bearbeitung zurück.
3. GIFs
Ein Ziel, welches wir uns von Anfang an für dieses Digezz-Projekt setzten, war den «Stereoscopic 3D»-/«Mura Masa»-Effekt auszuprobieren. Dabei hatten wir vor allem bei den Aufnahmen selbst Mühe. Da Photoshop für uns beide das am wenigsten benutzte Adobe-Programm ist, halfen uns Tutorials weiter. Um die GIFs mit den Untertitel zu versetzen nutzten wir Premiere Pro und die integrierte Funktion «Captions».
4. Videos
Wir entschieden uns, das beste Quote des Interviews als Video darzustellen. Es sollte als Einführung zum Interview dienen und den Lesern vermitteln, in welchem Umfeld sich der Papi befand. Die Postproduktion war demnach simpel. Ton synchronisieren und anpassen, leichtes Colorgrading und fertig war das kurze Quote.
5. Grafiken zu den Statistiken
Bei den Grafiken überlegten wir uns lange, welche Statistik überhaupt Sinn machen würde, grafisch darzustellen. Die Datensätze wurden doppelt und dreifach überprüft. Gelayoutet wurden sie dann in Illustrator, nachdem Excel die korrekte Darstellung ausspuckte. Excel, weil die Diagramm-Funktion in Illustrator eher ungünstig war.
- Corporate Design
Wie soll unsere Webseite und die jeweiligen Beiträge erscheinen? Diese Frage oder eher die Beantwortung bereitete uns wahrscheinlich den grössten Aufwand. Glücklicherweise haben wir beide einen ähnlichen Stil. Trotzdem war es eine riesen Challenge, uns für Farben, Fonts, Logo und das allgemeine Erscheinungsbild zu entscheiden. Wir verbrachten wahrscheinlich zu viel Zeit damit herumzuprobieren, statt von Anfang an einen klaren Plan (wie bei allem anderen) zu erstellen. Letztendlich konnten wir uns dank viel Inspiration auf einen Look einigen, mit dem wir jetzt sehr zufrieden sind. Der Name und das Logo bereitete uns die grösste Mühe (an dieser Stelle ein grosses Dankeschön an Gina Gysi, die uns den Input zu «zämegwürflet» gab!). Mit dem Logo sind wir bis jetzt auch nur mässig zufrieden. Letztendlich können wir uns aber damit abfinden. Und wer weiss – vielleicht gibt es bei einer neuen Idee schon bald ein Redesign 😉
- Wireframes
Nach dem Inhalt kamen die Wireframes. Wir liessen uns von anderen Webseiten inspirieren und skizzierten fleissig, wie wir unsere Inhalte darstellen wollten. Das half uns vor allem bei der Platzierung. Bei einem nächsten Projekt würden wir beide noch klarere Mockups erstellen, in denen man auch das Layout der Webseite klarer bestimmen könnte. Darauf haben wir jedoch verzichtet – es erschien uns nicht effizient genug. Im Nachhinein wäre es vielleicht gar nicht mal so eine schlechte Idee gewesen, weil wir im Bauprozess der Webseite bestimmt schneller gewesen wären.
- Webseite
Dass wir uns jemals zu zweit an eine Webseite trauen würden, hätten wir ehrlich gesagt nicht gedacht. Denn leider wurden wir nicht mit dem Coder-Flow geboren und Codes schrecken uns nach wie vor ab. Wir sind aber überzeugt, es geht heutzutage auch ohne Code und das wollten wir uns selbst und ähnlich unbegabten Codern zu beweisen. Wir recherchierten lange nach dem richtigen Tool und lasen unzählige Reviews über Squarespace, WordPress, Wix & co. Weil Wix gemäss Vergleichen am meisten Freiheit bei Gestaltung (unser oberstes Gebot) bietet, entschieden wir uns schlussendlich dafür. Ein weiterer wichtiger Grund: Als MMP-Student*in wird man aufgrund des Targeting mit Wix-Werbungen regelrecht zugespamt. Und jedes Mal fragten wir uns: Funktioniert das wirklich so einfach?
Bei der Umsetzung war es erstmal wichtig ein Template zu finden, welches uns gefällt. Denn darauf konnte man aufbauen, anpassen, ändern und hinzufügen – so wie wir es uns vorgestellt haben. Und dann bauten wir Seite für Seite. Wie es uns dabei ergangen ist, erfährt man hier.
Letztendlich können wir sagen: Ja, es ist auch ohne selbst zu programmieren möglich, eine individuelle Webseite zu basteln. Und wir sind auch der Meinung man kann als MMP-Student*in nicht nur auf eine selbst programmiert sondern auch auf eine «Wix»-Seite stolz sein.
Herausforderungen
Wir beschäftigten uns lange mit dem Aspekt, dass unsere eigenen Väter sowie unsere eigenen Familiengeschichten in den Fokus unseres öffentlichen Projekts rückten. Wollen wir das überhaupt? Was denken andere dazu? Können wir mit den Reaktionen umgehen?
Diese Fragen beschäftigen uns. Letztendlich finden wir es aber wichtig, vielseitige Familienkonstellationen und allgemein ein Thema, über das mehr gesprochen werden sollte, zu beleuchten. Und nun können wir nach guter Überlegung zu 100% hinter dem Fakt stehen, dass unsere eigenen Geschichten öffentlich zugänglich sind. Trotzdem brauchte es anfänglich auch Überwindung, sich in diese doch auch verletzliche Position zu stellen.
Ist es möglich, eine individuelle Webseite mit Hilfe von Drittanbietern zu erstellen? Ganz ehrlich: Eine Webseite nicht selbst zu coden ist unter MMP-Studierenden und auch den Dozierenden verpönt. Schliesslich lernen wir die Tools dazu ja in unserem Studium. Doch wir wissen auch, dass sich viele damit nicht leicht tun und es letztlich vielen gleich geht wie uns. Deshalb fanden wir es wichtig, zeigen zu können, dass nicht alle den Umgang mit HTML und co. beherrschen müssen, um eine Webseite zu entwickeln. Wir bemühten uns umso mehr darum, unseren eigenen Stil zu integrieren. Auch dies brauchte Überwindung aber auch dahinter können wir stehen.
Fazit
Noch nie war es für uns beide so schwierig, ein passendes Digezz-Projekt zu finden wie in diesem Semester. Wir prokrastinierten echt lange. Doch nun können wir sagen: Bei keinem anderen bisherigen Digezz-Beitrag arbeiteten wir so gerne und motiviert, wie an diesem. Wir sehen Potenzial hinter diesem Projekt und möchten es unbedingt weiterführen und andere Geschichten aus verschiedensten Familien erzählen und auf «zämegwürflet» ergänzen. Es war, ist und bleibt unser Herzensprojekt. #staytuned