Sitzstreik
Sitzstreiks erhielten durch die Klimakleber*innen eine ganz neue Bedeutung. Manche bezeichneten die Aktivist*innen als mutig und revolutionär, andere ärgerten sich lautstark über ihre Auswirkungen auf den Verkehrsfluss. Klar ist: Klimakleber*innen entwickelten eine gewaltige mediale Schlagkraft. Doch heisst dies im Umkehrschluss, dass weniger drastischer Aktivismus mit fehlendem Engagement und Indifferenz gleichzusetzen ist? Das Projekt «Sitzstreik» möchte das Gegenteil aufzeigen. Durch Bild und Text wird erfasst, wofür Menschen im Stillen kämpfen. Insgesamt geben 14 Porträts auf www.sitzstreik.ch Einblick in die vielfältigen Facetten des leisen und doch wichtigen Engagements.
Was heisst es, sich für etwas einzusetzen? Wo fängt Engagement an und wo hört es auf? Kann man es sich heute noch leisten, für gar nichts einzustehen und wie laut muss man sich einer Bewegung anschliessen, um als Teil von ihr gesehen zu werden? Soziales und politisches Engagement ist präsenter denn je. Wir posten schwarze Quadrate, um unsere Unterstützung für die Black Lives Matter Bewegung kundzutun oder kaufen die Margarine einer bestimmten Marke nicht mehr, weil sie Palmöl enthält. Die Zeiten der bequemen Ignoranz sind vorbei, (fundierte) Meinung ist gefragt. Sich allem zu enthalten, da herrscht gemeinhin Konsens, sei verwerflich. Der Druck, der auf uns lastet, ist entsprechend gross. Passiert Aktivismus eher im Stillen oder kämpft man vielleicht sogar unbemerkt und ganz alleine für eine Sache, fühlt man sich damit schnell inadäquat.
Um diesem Phänomen entgegenzuwirken, haben wir das journalistische Foto-Projekt «Sitzstreik» ins Leben gerufen. Im eigens gebauten Fotostudio möchten wir von unterschiedlichen Menschen aus der Schweiz erfahren, wofür sie sich persönlich einsetzen und ihren Anliegen eine Plattform bieten. Dafür werden sie interviewt und symbolisch sitzend porträtiert. Wichtig ist uns vor allem, dass es keine Anliegen sein müssen, für die sie auf der Strasse demonstrieren gehen. Uns interessieren die persönlichen Geschichten unserer Protagonist*innen, die von individuellen Überzeugungen, leisen Protesten und dem Wunsch nach positivem Wandel erzählen. «Sitzstreik» soll zeigen, dass nicht jede Form des Aktivismus laut und spektakulär sein muss, um bedeutend zu sein. Es erinnert daran, dass der Weg des stillen Engagements genauso wichtig ist wie laute Demonstrationen und dass selbst scheinbar kleine Handlungen einen grossen Einfluss auf die Welt haben können.
Die Porträts aller Personen sind auf der eigens programmierten Website www.sitzstreik.ch veröffentlicht.
Eindrücke aus den Shootings
(eli)
Team
Wir sind Nora (links) und Damaris (rechts) und studieren im letzten Semester Multimedia Production mit den Schwerpunkten Branded Motion und Journalismus multimedial. Da wir beide leidenschaftlich fotografieren und uns in diesem Bereich weiterentwickeln möchten, haben wir uns für dieses Digezz-Projekt zusammengeschlossen.
Idee
Unser Projekt entstand aus dem Wunsch heraus, mehr über die Studiofotografie zu lernen. Wir hatten bisher beide keinerlei Erfahrung damit. Da wir beide gesellschaftlich sehr interessiert sind, haben wir versucht ein Projekt aufzugleisen, das Menschen in ihrer Essenz porträtiert – ihre Struggles, ihre Wünsche und Hoffnungen aufzeigt. So kamen wir auf das Thema Sitzstreik. Wer streikt wird bewegt und versucht etwas zu bewegen. Wer sich für etwas einsetzt, hat immer auch etwas zu erzählen. Die Geschichten der grossen Streiks und Streikenden sind bereits allgegenwärtig. Jeder kennt Greta Thunberg und wofür sie sich einsetzt. Das ist super, denn es zeigt, dass sie Erfolg hat. Doch wir haben uns den etwas persönlicheren, noch unerzählten Geschichten verschrieben – den verborgenen Kämpfen. In unserem Projekt möchten wir ihnen eine Plattform und anderen einen Denkanstoss geben. Wir hoffen, durch unsere Bild- und Textporträts das Verständnis für unterschiedliche Lebensrealitäten zu fördern und Verbundenheit zu schaffen – dafür setzen wir uns ein. 🙂
Umsetzung
Im Vorfeld haben wir über verschiedene digitale Plattformen Inserate aufgeschaltet, um unsere Protagonist*innen zu finden. Dies war erst schwerer als gedacht, doch nachdem sich einmal ein paar Leute gemeldet haben, kamen immer mehr auf uns zu. Manchmal haben wir Leute aus dem Umfeld auch direkt angesprochen.
Für das Studio-Setup haben wir viele YouTube-Anleitungen geschaut und Equipment der Schule ausgeliehen sowie eigenes Material verwendet. Folgendes haben wir für unser Setup verwendet:
– Kameras: Sony a7iii
– Objektive: Sigma Art 135mm, 1x Sigma Art 50mm, 1x Sony 16-35mm
– Backdrop: 1x weiss und 1x schwarz
– verschiedene Stühle
– Gerüst für Backdrop
– Nanlite Softbox– 300 Watt
– Flächenleuchte MixPanel
– Manfrotto Lichtstativ
– Sandsack
Die Interviews und Shootings fanden über drei Tage verteilt statt. Vor den ofiziellen Shootings, haben wir einen Tag lang das ganze Equipment gecheckt, alles aufgebaut und Testshootings vorgenommen. Die definitiven Interviews dauerten jeweils ca. 15 Minuten, die Shootings etwa 20 Minuten. Die Porträtierten durften selbst wählen, auf welchem Stuhl sie fotografiert werden möchten. Für die Posen haben wir ihnen jeweils so viel Hilfestellung geboten, wie sie brauchten. Manche waren froh darum, andere brauchten es gar nicht, weil sie selbst bereits so viele Ideen mitbrachten und sich vor der Kamera sehr sicher fühlten.
Für uns stand der journalistische Fokus stets im Vordergrund. Die Fotos sollen dazu dienen, einen Menschen in seiner Individualität zu porträtieren. Für uns war es auch eine willkommene Challenge, die Person in ihrer Essenz zu zeigen, ohne dass wir sie in ihrem «natürlichen Habitat» besuchen konnten. Dadurch, dass alles im Studio stattfand, mussten wir uns viel mehr Gedanken darüber machen, was eine geeignete Darstellung für jede Person ist.
Danach haben wir alle Interviews transkribiert. Die Transkripte dienten uns als Grundlage für die Texte auf der Website. Daneben trafen wir für jede Person eine Auswahl der Fotos und haben schliesslich alles einheitlich bearbeitet. Das war gar nicht so einfach, weil durch die verschiedenen Brennweiten und Objektiv-Tpen auch der Stil der Bilder unterschiedlich ausfiel. Wir haben dies, so gut es ging, versucht auszuebnen.
Learnings
Wir haben durch das Projekt sehr viel über Studiofotografie gelernt, insbesondere über die korrekte Belichtung, die Kamerasettings und den Umgang mit den Personen vor der Kamera. Das Interessanteste und gleichzeitig Schwierigste war, wie man jemandem aus seinem Alltags-Kotext herausreissen kann und seinem Charakter alleine durch die Fotografien im Studio-Setting gerecht wird. Durch die Entkontextualisierung im Studio haben wir viel darüber gelernt, wie man den «Spirit» eines Menschen einfängt, auch wenn es nichts in seiner Umgebung gibt, das ihn charakterisiert. Daneben haben uns auch die Interviews sehr viel über den Umgang mit persönlichen Inhalten gelehrt, weil sie oft von sensiblen Themen handelten. Und schliesslich konnten wir uns auch in der Formatentwicklung erproben, indem wir für alle unsere Inhalte die passende Form suchten.