So ein Scheiss!

«Ich muss kurz auf Toilette, kacken.» – Würdest du dies deinem Date mitteilen? Höchstwahrscheinlich würdest du nur sagen: «Ich muss kurz pinkeln», oder «Ich muss kurz auf Toilette». Doch: Warum teilen wir das nicht gerne mit? 

Als Multimedia Production Studierende ist der Satz: «Machen wir doch ein Digezz daraus!» allgegenwärtig. Genau so ist auch dieses Digezz-Projekt entstanden. Und zwar an einem Samstagabend in einer Bar. Wir haben uns gemeinsam über die Problematik des «Scheiss-Tabus» geärgert. Schlussendlich ist die Toilette gleichermassen fürs Stuhlen und fürs Urinieren da. Über «einen fetten Schiss» wird aber viel seltener in der Öffentlichkeit gesprochen. Klar, man könnte dies auch etwas freundlicher und schöner ausdrücken. Funktioniert der Stuhlgang aber nicht so wie gewohnt, schlägt dies häufig auch auf das Wohlbefinden der Menschen. Die Hemmschwelle, dem Gegenüber mitzuteilen, dass man Kopfschmerzen hat, ist viel kleiner als zu «gestehen» dass man Durchfall oder Verstopfungen hat.

Mit unserer Webseite versuchen wir, das Tabu zu brechen. Acht Protagonistinnen und Protagonisten sprechen offen über das Thema «Scheissen». Damit hoffen wir, einen Beitrag zur Enttabuisierung des Themas beizutragen.

(spu)

Vorbereitung

Ursprüngliche Idee

Zu Beginn wollten wir eigentlich ein Projekt über das Telefon am Loebegge machen. In den 80er-Jahren wurde am wohl beliebtesten Treffpunkt in der Stadt Bern, dem Loebegge, ein Telefon installiert. Hatte man sich für ein bevorstehendes Rendez-Vous verspätet, konnte man auf das Telefon anrufen. Dieses hat dann vor Ort geklingelt und der Hörer wurde von irgendeiner wartenden Person abgenommen. «Karin, Susanne hat eine Viertelstunde Verspätung, geh doch schon einmal ins Kaffee, hat sie gesagt.», wurde dann jeweils ausgerufen. Während das Telefon während 20 Jahren oftmals in Gebrauch war, hat es schlussendlich durch die Mobiltelefone an Bedeutung verloren. 2007 wurde das Telefon dann abgeschafft.
Um an mehr Informationen als 20-zeilige online-Magazin-Artikel zu gelangen, haben wir mit jemandem vom Loeb ein Interview per Mail geführt. Die Informationen wurden in ein Rechercheprotokoll eingetragen.
Über das Telefon wollten wir einerseits einen Podcast produzieren, andererseits aber auch ein Video. Der Podcast wäre an einer bereits bestehenden Webseite angegliedert worden.
Schliesslich scheiterte das Projekt an der Suche nach Protagonisten und Protagonistinnen. Kathrin kommt ursprünglich aus dem Kanton Aargau und hat daher keinen Draht zu Menschen, die das Telefon gebraucht haben könnten oder sonst irgendetwas damit erlebt haben. Anna ist zwar in Bern aufgewachsen. Alle, die sie gefragt hatte, kannten entweder das Telefon nicht (obwohl sie in dieser Zeit gelebt haben) oder haben nichts Konkretes damit erlebt. Zudem wurde über den Instagram-Kanal von Bärndütsch ein Aufruf gestartet, dass man sich melden soll, sofern man das Telefon kennt. Auf diesen hin haben sich zwar Personen gemeldet, schlussendlich waren die Storys aber nicht wirklich «erzählwürdig». Obwohl wir uns bemüht haben, diverse Menschen anzufragen, mussten wir feststellen, dass inhaltlich zu wenig spannende Informationen vorliegen. Per Zufall sind wir dafür ganz plötzlich auf eine ganz andere Idee gestossen.

Entstehung der neuen Idee

Als Multimedia Productions Studierende ist der Satz: «Machen wir doch ein Digezz daraus!» gang und gäbe. Genau so ist auch dieses Digezz-Projekt entstanden. Und zwar an einem Samstagabend in einer Bar. Wir haben uns gemeinsam über die Problematik des «Scheiss-Tabus» geärgert. Schlussendlich ist die Toilette fürs Stuhlen und fürs Urinieren da. Über «einen fetten Schiss» wird aber viel seltener in der Öffentlichkeit gesprochen. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, ein Digezz-Projekt über die Thematik zu publizieren.

Konzept und Kanäle

Wir haben uns entschieden, eine schlichte Webseite mit Videos und  farbigen Illustrationen zu gestalten. Kurze, aber informative Texte leiten durch die Webseite.
Auch die Videos sollen in einem schlichten Erscheinungsbild daherkommen. Die Protagonistinnen und Protagonisten werden nicht mit ihren Namen angeschrieben, da es keinen Mehrwert für die Nutzerinnen und Nutzer bringt. Zusätzlich haben auch viele Bedenken in beruflicher Hinsicht geäussert.

Suche der Protagonistinnen und Protagonisten

Die Suche der Protagonistinnen und Protagonisten hat sich in unserem Umfeld bei Gleichaltrigen ziemlich einfach gestaltet. Viele waren gleicher Meinung wie wir. Bei älteren Generationen hingegen war die Bereitschaft, darüber zu sprechen, eher kleiner. Viele wollten nicht im Internet über ihren Stuhlgang sprechen, was auch verständlich ist. Schlussendlich haben wir mit uns beiden insgesamt 8 Menschen gefunden, die vor laufender Kamera über Details gesprochen haben. Wir haben darauf geachtet, dass möglichst viele verschiedene Personen zwischen 20 und 35 zur Sprache kommen.

Interviewfragen

Wir haben die Fragen so gegliedert, wie wir auch die Webseite aufbauen wollten. Wir haben schlussendlich die drei Rubriken «Tabuthema», «Was ist Scheisse?» und «Scheissgeschichten» bestimmt und folgende Fragen dazu gestellt.

Tabuthema

  • Würdest du gerne offen über das Thema Scheisse sprechen oder passt es für dich, dass es eher ein Tabuthema ist?
  • In welchen Momenten kannst du dich nicht entspannen (Wenn andere Personen in der Wohnung sind, wenn man an einem fremden Ort ist etc.)

Was ist Scheisse

  • Wie nennst du das grosse Geschäft? Also das Endprodukt?
  • Wie nennst du den Akt des Scheissen?
  • Wie oft pro Woche kannst du «Gross»?
  • Gibt es eine bestimmte Routine bei dir?

Scheissgeschichten

  • Gibt es eine lustige Geschichte, welche dir oder einer bekannten Person passiert ist?

 

Am Set

Schutzkonzept für Corona

Damit wir keine Übertragung von COVID-19 riskieren, haben wir beide am Set immer eine Maske getragen. Während den Interviewaufnahmen konnten Protagonistinnen und Protagonisten ihre Masken abziehen. Wir haben darauf geachtet, dass wir den 1.5 Meter Abstand zu ihnen hatten und dementsprechend den Bildausschnitt angepasst.

Arbeitsaufteilung

Wir haben uns so aufgeteilt, dass sich eine Person um den Ton gekümmert hat, die andere Person um das Bewegtbild. Die Person hinter der Kamera hat auch gleich die Fragen gestellt.

Bildkomposition

Da wir teilweise mit Personen gearbeitet haben, die nicht Multimedia Production studieren, wussten wir nicht genau, inwiefern dies Personen verwirren würde, direkt in die Kamera zu schauen. Aus diesem Grund haben wir uns dazu entschieden, dass man die Person anschauen soll, die hinter der Kamera sitzt. Da wir die Interviewpartner nicht im goldenen Schnitt positionieren wollten, haben wir uns so nah wie möglich an die Kamera gesetzt. Die Protagonistinnen und Protagonisten haben wir  in der Mitte des Bildes positioniert. Der Bildausschnitt hatte oben etwas Kopfraum und war unten bis zur Brust.

Material

Hintergrund

Da das Theme der Webseite eher weiss-lastig wird, wollten wir nicht mit einem hohen Kontrast arbeiten. Aus diesem Grund haben wir uns für einen weissen Hintergrund bei den Videoaufnahmen entschieden.

Bewegtbild: Sony FS 5

Zuerst war bei der Cam auf jeder Aufnahme ein Filter eingestellt. Aus diesem Grund konnte der ISO nicht unter 2000 gesetzt werden, was auf dunklen Elementen ein extremes Flackern verursachte. Schliesslich konnten wir das Problem mithilfe eines Mitstudenten lösen und den ISO auf 800 setzen. Die Blende war auf F6.3 gesetzt. Es kam nicht wirklich auf die Unschärfe im Hintergrund drauf an, da wir vor einer weissen Wand gefilmt haben.

Audio: Zoom H6, 2 Lavalier Mikrofone und Tonangel, Richtmikrofon auf der Kamera

Wir haben alle Protagonisten und Protagonistinnen doppelt aufgenommen. Jeweils mit der Tonangel und mit einem Lavalier. Da wir nicht die Kapazität hatten, dass eine Person durchgängig die Perge hält, haben wir ein grosses Mikrofonstativ ausgeliehen und die Perge so fixiert. Dies war etwas schwierig, da die Tonangel für das Stativ etwas zu schwer war. So mussten wir dies etwas ausbalancieren. Es hat schlussendlich aber geklappt. Zusätzlich wurde der Ton mit einem Lavalier aufgenommen. Aufgrund Corona haben wir die Menschen vor der Kamera gebeten, sich das Lavalier selbst anzuziehen. Aufgrund dessen ist das Mikrofon bei einigen nicht allzu schön versteckt.
Als Backup und zur einfachen Synchronisierung von Bild und Ton im Nachhinein, haben wir den Ton zusätzlich über ein Richtmikrofon auf der Kamera aufgenommen.

Licht

Wir haben mit drei Lichtern gearbeitet. Einerseits ein Führungslicht, ein Fülllicht zur Aufhellung und ein Spitzlicht. Da die Protagonisten und Protagonistinnen in der Bildkomposition eingemittet waren, haben wir Führungs- und Fülllicht fast gleich stark eingestellt. Diese waren beide etwas hell und grossflächig eingestellt. Das Spitzlicht war von hinten etwas fokussierter auf die Protagonistin oder den Protagonisten gerichtet.

Fotos: Sony alpha 6500

Die Fotos vom Team haben wir mit dem gleichen Setting mit einer Fotokamera geschossen. Wir haben die Lichter etwas erhöht, damit der Schatten nicht zu sehen ist. Da wir noch nicht genau wussten, ob wir uns in GIFS oder Fotos darstellen, haben wir teilweise auch Bildserien aufgenommen. Posiert haben wir natürlich mit dem nötigen Gadget, dem Toilettenpapier!

 

Nachbearbeitung

Videos (Kathrin)

Den grössten Teil der Nachbearbeitung nahmen die Videos in Anspruch. Insgesamt mussten 8 verschiedene Videos erstellt werden:

Da wir nicht wollten, dass unsere Fragen in den Videos zu hören sind, wurde jeweils für den Beginn der Videos eine kurze animierte Sequenz mit der Frage erstellt. Diese wurde direkt in After Effects gestaltet und animiert. Sie erscheinen zu Beginn der Videos und fungieren auch gleich als Thumbnails der Videos.
In allen Videos wurde darauf geachtet, dass eine Chronologie vorhanden ist und die Aussagen ggf. aufeinander aufbauend sind resp. nicht dauernd Wiederholungen aneinandergereiht werden. Zudem lag der Fokus auf der Anfangs- und Schlussaussage. Sie wurden passend herausgesucht und verwendet. Es wurde versucht, zwischen Mann und Frau in den Aussagen abzuwechseln.
Videos, die sehr ähnlich in der Aussage sind (Namen des Geschäfts und des Akts) wurden jeweils in der gleichen Sequenz erstellt, da es ein wenig einfacher und übersichtlicher war.
Das Colorgrading wurde jeweils über einen Adjustment Layer gemacht. Da leider nicht alle Takes genau gleich beleuchtet waren, konnte man den Layer nicht auf alle Videos anwenden, sondern musste immer noch nachjustieren. Dies könnte davon kommen, da wir die Blende auf Automatisch eingestellt haben. 

GIFS (Anna)

Aufgrund der entstandenen Bildserien haben wir uns dazu entschieden, uns mit GIFS abzubilden. Dafür haben wir die Bilderserien zuerst im Adobe Lightroom etwas bearbeitet und danach in Premiere importiert. Die einzelnen Bilder sind jeweils 4 Sekunden lang. Beide GIFS bestehen aus 7 verschiedenen Bildern. Sie wurden schliesslich als animiertes GIF exportiert.

Scribbles (Anna)

Um einige Lebensmittel, Tätigkeiten oder verschiedene Stuhlformen zu visualisieren, haben wir sie mit einfachen Sketches abgebildet. Sie wurden auf einem iPad Pro mit Apple Pen im Programm «Procreate» gezeichnet. Die Umrisse und die Farbe sind jeweils auf zwei verschiedenen Layers, da es so einfacher ist, Schritte rückgängig zu machen. Sie wurden schliesslich mit transparentem Hintergrund als png exportiert.

 

Webseite

Wir haben uns eine eigene Domain gekauft, da wir ein einheitliches Erscheinungsbild wollten. Da wir beide nicht die grössten Programmier-Profis sind, haben wir die Webseite mit WordPress erstellt. Bei der Suche nach einem Theme war uns wichtig, ein möglichst schlichtes und einfaches zu finden. Einzelne Details haben wir schlussendlich über den WordPress CSS Editor angepasst, wie beispielsweise Farben der Titel oder Ähnliches.

 

Fazit

Durch unsere Arbeitsteilung haben wir nach den Aufnahmen einzeln weiter gearbeitet. Feedbacks haben wir uns jeweils in Webex-Meetings gegeben, was für uns beide sehr hilfreich war. Da wir eine ähnliche Vorstellung des Endprodukts hatten, haben sich die Feedbacks häufig auf feine Justierungen beschränkt.

Wir beide haben uns lange überlegt, ob wir solch ein Projekt machen möchten oder nicht. Eben gerade deshalb, weil Scheissen ein Tabuthema ist. Schlussendlich haben wir uns aber dazu entschieden, dass wir auch dieses Projekt in unser Portfolio integrieren möchten. Falls ein Jobangebot an dieser Webseite scheitern würde, möchten wir bei dieser Arbeitsstelle auch nicht arbeiten.

Wir haben gelernt, dass das Tabu des Themas absolut unnötig ist und es viele Menschen gibt, die eigentlich gerne offener sprechen möchten. Zwar wird im engen Freundeskreis häufig darüber gesprochen. Sobald man die Menschen aber nicht so gut kennt, spricht man das Thema kaum an. Das Vorurteil, Frauen würden mit ihren Freundinnen nicht über das Kacken sprechen, hat sich absolut widerlegt. Wir scheissen alle gleichermassen!

Wir sind gespannt auf alle Rückmeldungen und Reaktionen in Jobinterviews. 😉