Standbild101: Moody Berlin

Berlin. Eine Stadt ohne Altstadt, die trotzdem von ihrer Geschichte geprägt ist. Ein Ort an dem es so viel Neues gibt und nichts wirklich neu aussieht. Ein Zentrum der Kulturen das lange Zeit strikte Grenzen gezogen hat. Die folgende Bildergalerie aus unserer Projektwoche soll die vielen Motive dieser imposanten Stadt auf eine dunkle, nachdenkliche Art zeigen. Die digitale Galerie soll in einem analogen Stil den Berliner Flair zeigen – das Alte und seine Geschichten, die durch die Berliner Kulturszene und die „Hipster“ aufleben.

Schau dir hier: https://indd.adobe.com/view/61b15a6a-2ef3-49e5-aa4e-e4581c687258 den fertig gestalteten Fotoguide an!

Oder lies diesen Digezz Post:

Schauen wir uns doch an, wie du auch bei deinen Fotos einen Moody Look hinbekommst, ohne dir eine analoge Kamera zulegen zu müssen:

Die folgenden Fotos sind nämlich alle mit meiner Nikon D6500 aufgenommen: eine APS-C Spiegelreflex. Um im Strom der Stadt mitzuschwimmen bietet sich das „kleine Besteck» an, also 1 Kamera + 1 Objektiv. (Ausserdem hatte das Filmequipment für die AVE Projektarbeit natürlich Vorrang im Kamerarucksack.)
Das 18-105mm ist mit Abstand mein Lieblingsobjektiv für das kleine Setup. Dieses Objektiv ist handlich aber höchst flexibel und deckt von Weitwinkel bis Tele schön viel ab. Wenn du mehr Platz in der Tasche hast, empfiehlt sich aber auch eine Linse 200mm und aufwärts mitzuführen. Die Lichtstärke spielt gerade bei dem gewünschten Look eine untergeordnete Rolle, aber dazu gleich mehr. 

Die Bilder wurden erst im Nachbearbeitungsprozess auf Vintage und «Moody» getrimmt. Um diesen Look zu erreichen sind aber bereits bei der Aufnahme einige Dinge zu beachten:
Leicht unterbelichtete Bilder verursachen auf natürlichem Weg stärkeres Rauschen und einen geringeren Kontrast in den Tiefen.  Hier kommt das vergleichsweise lichtschwache Objektiv zu Hilfe, vergleichbar mit der schwachen Lichtempfindlichkeit von alten analog-Kameras. Hohe Shutterzeiten und ISO Werte verstärken diese Effekte nochmal technisch. Schiesse mit den ISO Zahlen aber nicht gleich durch die Decke! Ist das Rauschen erst einmal im Foto kann es nur noch schwer in Post kontrolliert werden. Pendle dich erst einmal rund um ISO 1000 ein – mehr Rauschen geht später immer, weniger nicht mehr. Das Objektiv kommt uns nochmal mit seiner schwachen Abbildungsleitung entgegen: Sie bewirkt nämlich eine natürliche Vignettierung im Weitwinkel und eine allgemeine, ganz leichte Verzerrung, die den Vintage-Look abrunden. Es muss also nicht immer eine analoge oder Vollformat Kamera mit teuren präzisen Linsen sein, wenn man weiss worauf man hinaus will!

Und wie kommt der Vibe jetzt eigentlich zustande?

1. Gegen das Licht fotografieren:

90mm, 1/1000s, f/18, ISO 1000

Entgegen eine Lichtquelle zu fotografieren bewirkt starke Kontraste und harte Schatten. Mit dem flachen Licht der Golden Hour lässt sich zu dem noch eine schöne farbliche Stimmung erzeugen, die nicht ganz so traurig wirkt wie es moody Bilder oft tun. In der Nachbearbeitung habe ich noch die Lichter und das Weiss runter gedreht und die Körnung verstärkt, damit die hellen Bereiche nicht herausstechen. Ausserdem liegt auf dem unteren Drittel eine lineare Verlaufsmaske, die dem Bild dort noch mehr Tiefe und Kontrast gibt. Das bewirkt dass die Autoscheinwerfer nicht verschwinden, sondern schön leuchten.

2. Framing, Licht und Schatten:

Die Rule-of-Thirds sollte jedem MMP-Studenten bekannt sein, doch habt ihr schon mal versucht das Motiv einfach in einem anderen Schnittkreuz anzusetzen? Einem Objekt übernatürlich viel Raum im Bild zu geben verwirrt vielleicht im ersten Moment, macht ein Foto aber auch interessant. Gleichzeitig drängt sich eine weitere Gestaltungsregel auf: Der hellste Bereich eines Bildes zieht den Blick des Betrachters magisch an. Umso kleiner dieser Bereich ist, desto größer die Wirkung. Schau nochmal auf das U-Bahn Foto, oder das des Balkons – was hast du als erstes gesehen?

Gerade Simones Portrait spielt mit dem Licht, das durch die Reflexion der Abendsonne in einem verspiegelten Fenster entstanden ist. Das Gesicht sticht hervor, während der restliche Körper erst später ins Auge fällt. Falls du noch mehr Inspiration für Portraitfotos im Moody Look suchst: Rembrandt war ein Meister des Spiels mit dem Licht. Aus seinen Bildern kann man viel für die Portraitfotografie lernen!

Bei der U-Bahn wurden die Tiefen in einer linearen Verlaufsmaske, die von links unten verläuft, noch einmal künstlich vertieft, um den Schatten-Licht Kontrast zu verstärken. In Sachen Color Grading habe ich das Foto des Gebäudes in den Tiefen leicht in Richtung rot gezogen und in den Mitteltönen zu grün, um das stechende Blau des Himmels zu neutralisieren. Das Portrait ist weitestgehend unbearbeitet, bis auf die Anpassung der Tiefen im Hintergrund. Diese habe ich verstärkt, damit sich Simone noch ein Stück besser hervorhebt. Zusätzlich habe ich die Körnung auf allen Bildern erhöht.

3. Schwarz/Weiss und Symmetrie:

Bilder vollkommen ohne Farbe wirken sofort mystischer. Nicht immer passt ein Schwarz/Weiss Filter zur Stimmung die man erzeugen möchte, doch es können recht einfach bewusste Akzente gesetzt werden. Die Spotlights auf dem Weg des zweiten Bildes beispielsweise wären im farbigen Originalfoto nicht zur Geltung gekommen. Erst durch den hohen Kontrast in Schwarz/Weiss Bildern erkennt man diese.

Je höher ausserdem der Kontrast ist, desto abstrakter wirkt ein Bild. Gerade deshalb ist es wichtig, besonders auf die gestalterischen Grundlagen zu achten, um mehr Spannung zu erzeugen. Gleichförmige Symmetrie beispielsweise erzeugt eine gewisse Ruhe und Orientierung. Das funktioniert besonders gut wenn das Bild genau in der Mitte „geteilt“ wird, wie etwa beim Fernsehturm.
Gleichzeitig erzeugen die Säulen des Holocaust Denkmals eine optische Linie die zum oberen Drittel, also ins Licht des Bildes führt. Zusammen mit der Tatsache das der Blick immer in Richtung Licht wandert, wird man geradezu in diese Fotos hineingezogen, wie am Beispiel der U-Bahnstation gut zu erkennen ist. Unser Blick wandert durch die Lichter und gedachten Linien sofort zum Mittelpunkt am Horizont.

So, ich hoffe dieser kleine Guide hat dir Lust gemacht mal einen neuen Stil der Fotografie auszuprobieren und dir ein paar hilfreiche Tipps gegeben.

Einige der Fotos stehen auch als Handy-Wallpapers zum Download verfügbar: https://www.dropbox.com/scl/fo/01z4fq5709ad2w1gqnu7w/AEkEeTaO4Uuz1XoqTiHFixw?rlkey=b2debmdcnjsafcd5san1z8lh8&st=a4dquyo9&dl=0

(eli)

Fotografieren und Bearbeiten:

Zwar war von vornherein geplant in Berlin eine Fotoserie zu machen, allerdings stand ich am Ende vor der Herausforderung in der Woche viel weniger Fotos gemacht zu haben als ursprünglich geplant. Da wir sehr beschäftigt waren mit unserer Projektarbeit für Audiovisuelles Erzählen hatte die Filmkamera oftmals Vorrang.
Gleichzeitig bedeutete das eine neue Situation zu meistern: Ich hatte nicht die Freiheit mir meine Lieblinge aus hunderten Bildern herauszupicken und diese exklusiv zu bearbeiten. Ich musste also versuchen aus fast allen Fotos etwas zu machen, auch jene die mir im ersten Moment nicht so gut gefallen haben. Aber dadurch konnte ich auch Fotos als Negativbeispiele verwenden oder Prinzipien anhand eines Bildes erklären, das diesem entspricht, ohne wirklich künstlerisch hochwertig zu sein.
Ich habe mich in diesem Bearbeitungsprozess deutlich intensiver mit Adobe Lightroom auseinandergesetzt als ich es je zuvor getan habe und zum ersten mal die Classic-Version verwendet. Diese ist zwar in ihren Funktionen ähnlich wie die moderne Applikation, im Handling jedoch gewöhnungsbedürftig.

 

Verfassen des Guides:

Fotografieren ist für mich etwas sehr intuitives, gleichzeitig fiel es mir schon immer schwer anderen Dinge zu erklären, die für mich selbst völlig logisch erscheinen. Daher war es für mich eine grosse Herausforderung Instruktionen und Anleitungen verständlich zu erklären. Ich war mir unsicher wie viel Wissen ich voraussetzen darf und wie viele Grundlagen ich noch erklären muss. Vorher zu definieren wer genau die Zielgruppe sein soll hätte mir da wahrscheinlich geholfen, jedoch bin ich zu spät auf diese Idee gekommen.
Ich musste mich ausserdem selbst nochmal mit den theoretischen Grundlagen auseinandersetzen, um keine Misinformationen zu verteilen. Ich habe mir dazu nochmal die Studienunterlagen meines Freundes zur Hilfe genommen und auch die Materialien aus meinem Fotografieunterricht an meiner amerikanischen High School herausgesucht. Zwar konnte ich immer Gestaltungsprinzipien anwenden, aber ich konnte sie nicht mehr benennen und zuordnen. Ganz viel Theorie ist über die Jahre schon ins Unterbewusstsein gerückt. Dadurch verwende ich sie ohne zu wissen dass ich sie verwende. Diese Theorie jetzt wieder verständlich zu formulieren und rüberzubringen war eine weitere Herausforderung.

 

Learnings:

  1. Zwei Projekte gleichzeitig produzieren zu wollen wird unvermeidlich dazu führen, dass eines in der Ausführung leidet.
  2. Ich habe kein Kinderbuch gemacht. Ich darf also ein gewisses Mass an Wissen annehmen. Ausserdem muss ich klar definieren für wen ich ein Projekt mache.
  3. Niemals das Unterrichtsmaterial von einem Fach wegwerfen, das dir sehr viel Spass gemacht hat!
  4. Man kann aus jedem Foto etwas herausholen. Es braucht keine riesige Galerie wenn man sich mehr Zeit für die einzelnen Fotos nimmt und sich möglicherweise auch neue Techniken aneignet.