Too much Blender

Blender: Die Demokratisierung der 3D-Modelierungssoftwares. 3D für jedermann und jederfrau – komplett kostenlos. Voraussetzung? Verstehe Blender! Genau das habe ich probiert – und ich habe mich ziemlich verrannt. Trotzdem habe ich es geschafft, eine komplette Szene von Anfang bis Ende, inklusive aller Texturen, selbst zu gestalten und zu modellieren.

Dank unseren zwei Blenderkursen im Modul Visualisieren konnte ich einen Einblick in Blender gewinnen, der mir vorher immer verwehrt blieb. Blender war zwar keine unbekannte Software, doch ich konnte nie genug Zeit investieren, um Blender wirklich kennenzulernen u.v.a. Nutzen zu lernen. Doch jetzt war ich vorbereitet! Ich wusste wie man Faces, Vertices und Edges bearbeitet, zwischen Object- und Edit-Mode wechselt und Texturen anwendet. Beste Voraussetzungen … dachte ich.

Das Projekt

Seit jeher interessiere ich mich für Geschichte. Besonders die Geschichte Berlins – meiner Heimat – interessiert mich. Daher überlegte ich mir, mit Blender einen Ausflug in die Vergangenheit zu machen. Ziel war es, den Bahnhof des Ortes in Blender nachzubilden, an dem ich aufgewachsen war. Der Vorort von Berlin wurde in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts an das städtische S-Bahn-Netz angeschlossen. Ich entschied mich also eine Szene am Bahnhof der 20er-Jahre meiner Heimat zu kreieren. Soweit so gut. Doch da ich, gerade was das «Nachbilden» der Vergangenheit angeht, absolut perfektionistisch bin, brauchte ich Referenzen aus dieser Zeit.

Die S-Bahn

Für die meisten sind Züge nur Züge. Ob jetzt in meiner Szene aus 1920 eine S-Bahn mit Baujahr 1936 stehen würde, würde wohl 99,9 Prozent der Leute nicht auffallen. Mir schon. Deswegen orientierte ich mich an S-Bahn-Modellen aus den 1920er-Jahren – Bauart «Oranienburg». Ein weiter Punkt war die Farbgebung. Wer schonmal in Berlin war, weiss eventuell, dass die heutigen S-Bahnen oben gelb und unten rot gestrichen sind. Doch Anfang der 20er-Jahre waren die S-Bahnen grün. Fotos dieser Farbgebung gibt es übrigens keine (zumindest fand ich keine). Aber mit ein bisschen Recherche findet man sowas auch ohne (Farb)-Bilder heraus.

Perfekt. Immerhin hatte ich jetzt schon eine Farbe aus einer Zeit, in der Farbfotografie praktisch nicht existent war.

Ich wusste nun, welche S-Bahn-Bauart in der Szene präsent sein wird und welche Farbe. Doch wie sollte ich es schaffen, die S-Bahn möglichst akkurat zu modellieren? Auch dazu wurde ich fündig. Ich fand einige Pläne, die für eine massstabsgetreue Umsetzung ideal waren. Während des gesamten Modellierungsprozesses, nutzte ich die Pläne als Vorlage.

Um ein fotorealistisches Ergebnis hinzubekommen, reichten diese Referenzen allerdings nicht. Schaut man sich Fotos an, wird schnell ersichtlich, dass Oberflächen nie komplett glatt sind. Auch nur kleinste Verformungen geben das Licht in einem anderen Winkel zurück. Dem Metall der Wagenkästen diesen «Noise»-Effekt überzeugend zu geben, war eine der schwierigeren Aufgaben während der Texturierung.

Der Bahnhof

Eins vorab: Am Bahnhof konnte ich nur einen Teil der Sachen realisieren, die auf der Arbeitsliste standen. Trotzdem brauchte ich auch hier ein Vorbild. Der Bahnhof wurde Mitte der 90er modernisiert und ist daher logischerweise nicht mehr im Zustand der 20er-Jahre. Da ich auch hier nur auf Schwarz-Weiss-Fotos zurückgreifen konnte, schob ich die Gestaltung des Bahnhofs auf. Doch durch intensive Recherche bin ich auf ein Video gestossen, das den Bahnhof Anfang der 90er-Jahre noch im Originalzustand, und zwar in Farbe, zeigt. Aus Zeitgründen konnte ich allerdings nur einen kleinen Teil der Umgebung erstellen.

Details

Besonders wichtig war es für mich, dass gerade Details ausgearbeitet werden. Aus einem hohen Detailgrad erhoffte ich mir einen zusätzliche fotorealistischen Effekt. Daher erstellte ich einen Grossteil der Texturen selbst, oder passte Bilder an, sodass ich diese später als Bildtextur verwenden konnte.
Eine Beispiel für eine angepasste Textur ist der Netzplan der Berliner S-Bahn. Das beste Exemplar, welches ich gefunden hatte, war vergilbt und fleckig. Mittels Photoshop polierte ich dieses auf und importierte es als Textur in Blender.

Ein weiterer Punkt war die originalgetreue Nachgestaltung der Schilder am Zug oder Bahnhof. Diese erstellte ich komplett neu mittels Photoshop. Grundlegend bestehen die Schilder nur aus einer Schrift auf weissem Hintergrund. Die Hintergrundfarbe passte ich noch ein wenig an. Ich fügte noch einige Texturen hinzu, sodass ein Witterungseffekt auf den Schildern entsteht und voilà, fertig sind die Schildtexturen.

(mou)

Ich neige dazu, mir oft zu viel vorzunehmen. So auch bei diesem Projekt. Zwar habe ich einen Grossteil des Projekts fertigstellen können, aber die letzten 20% haben sich ganz dem Pareto-Prinzip dann doch am meisten gezogen. Die Szene wirkt insgesamt leider nicht so lebendig, wie ich es mir erhofft hatte. Ich habe den grössten Teil der Arbeit in den Innenausbau der S-Bahn gesteckt, obwohl auf diesem gar nicht der Fokus liegen sollte. Viel mehr sollte der Bahnsteig und das Geschehen auf diesem im Mittelpunkt der Szene stehen. Der Bahnsteig hätte noch mit Sitzgelegenheiten ausgestattet werden sollen. Auch der Hintergrund und die Beleuchtung gefallen mir nur mässig.

Wären diese Punkte alle erledigt gewesen, hätte ich das finale Render noch mittels Photoshop bearbeitet, und noch Menschen in die Szene «gephotoshopt». Als Grundlage hätte ich die Perspektive von ersten Bild der Bildergallerie oben genommen.

Trotz dieser Punkte habe ich eine Menge lernen können. Besonders die Texturierung hat mir eine neue Welt eröffnet. Gerade das Zusammenspiel zwischen Photoshop und Blender hat Wunder gewirkt und es zeigt einmal mehr, dass es von Vorteil ist, MMP zu studieren.

Für die Zukunft werde ich mich neben diesem Projekt v.a. kleineren Projekten widmen, die weniger Zeit in Anspruch nehmen. Da wir im Minor 3D-Motion-Design Cinema 4D anwenden, werde ich sicher dieser Software ebenfalls ein Digezz-Projekt widmen.

Ansonsten werde ich mich sicher Beleuchtung widmen und dem Non-destruktiven-Modellieren.

Trotz dieser Punkte ziehe ich ein positives Fazit, da das Projekt mir neben der Arbeit an Blender auch geholfen hat, mich in anderen Gebieten weiterzubilden. Dazu gehören Photshop, Geschichte und natürlich Recherche im Internet.