Visual Odyssey

Ich war zwei Monate alt, als meine Eltern mich auf meine erste Fahrradreise nahmen. Und das war der Start in mein Leben voller Abenteuerlust und Neugierde. 

Über 37 Länder durfte ich bisher besuchen. Viele hatte ich mit dem Fahrrad durchquert, aber auch mit Zug, Autostop und zu Fuss. Schnell fand ich eine Faszination an Ländern, welche von der touristischen Masse verschont werden. Wie zum Beispiel Weissrussland, Moldawien, Aserbaidschan und die Ukraine. So gab es schon im nahen Europa viel Unbekanntes zu entdecken.  

Ich lernte, Menschen zu verstehen, ohne zwingend gleicher Meinung sein zu müssen und ich übte Toleranz, manchmal sogar gegenüber Intoleranz. Ich konnte meinen Horizont verdoppeln und den Schatten, über den ich springen musste, halbieren. Ich war immer fasziniert, die Welt in ihrer wahren Grösse zu entdecken, in meinem Rhythmus ihre Geografie zu erobern, mit einem Fahrzeug, das ich aus eigener Kraft vorwärtsbewege. Keine meiner Reisen sollten was beweisen, noch was bewerben. Mich reizte einzig, solche Abenteuer zu wagen und mit wenigen Mittel ein Nomaden-Dasein zu führen und damit der Natur und den Bergen und den Bewohnern unseres unglaublichen Planeten näher zu kommen. 

Im März 2020 hätte ich eine dreijährige Weltreise mit dem Fahrrad gestartet. Und zwar exakt an dem Tag, als Europa alle Grenzen schloss. Ich war also ohne Wohnung, ohne Job, ohne Möbel, ohne Alltagskleider aber mit einem vollbepackten Velo bei meinen Eltern auf dem Sofa, ohne auch nur das befreiende Gefühl vom Start einer langen Veloreise erlebt zu haben. Denn ich brauchte meine Energie um einen Job und eine Wohnung zu finden. Und schliesslich, als der Frühling 2021 nicht vielversprechender aussah, bewarb ich mich für eine Studienstelle. Seither habe ich das Gefühl, dass meine Neugierde nicht gestillt wird und ich vermisse das befreiende Gefühl, in ein fremdes Land einzutauchen – und auch sich darin zu verlieren. 

Diese Website schaffte Abhilfe. Ich nahm mir die Zeit die drei letzten Reisen zu verarbeiten. Ich sortierte alle Bilder und Videos, las mich durch Tagebücher und recherchierte zu den entsprechenden Orten. Normalerweise schnitt ich immer gegen Ende der Reise einen kurzen Erlebnistrailer. Diesmal wollte ich mir mehr Zeit nehmen, die Shots länger anzeigen lassen und die Stimmung rüberbringen. 

Der Bericht zur Reise in der Ukraine war geprägt von Recherchen vom Kriegsverlauf und Veränderungen, die der Krieg mit sich brachte. Ich erstellte verschiedene kurze Mood-Videos, um das geschriebene erlebbar zu gestalten. 

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Weitere kurze Mood Videos findest du unter hier.

Der Bericht von Marokko galt weniger den Orten, die ich besuchte, sondern wie mich die Menschen behandelten. Ich schrieb kein Tagebuch und musste auf meine Erinnerung zurückgreifen und da blieben mir meine Gefühle stärker in Erinnerung. Statt vereinzelte Mood-Videos entschied ich mich, einen langen Film mit Voice-Over zu gestalten und hatte die Arbeit deutlich unterschätzt. Der Film wurde fast 10 Minuten lang. Ich lud ihn auf Youtube hoch und zwei Tage später hatte er bereits über 1000 Aufrufe. Durch Youtube Algorithmen hatte er viel mehr Menschen erreicht, als ich angenommen habe. Nach vielen englischen Kommentaren fügte ich eine englische Übersetzung zum gesprochenen, berndeutschen Text in Form von Untertiteln hoch.

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Der Bericht vom Kaukasus war viel ausgiebiger, als ich vorerst gedacht hatte. Ich sparte mir diese Reise für den Schluss auf und war überzeugt, dass es schnell erledigt sei, weil ich ausführlich Tagebuch geführt habe. Doch wenn man mit Autostop durch ein Land reist, erlebt man viel mehr, als wenn man Velo fährt. Statt nur stundenlang auf einer Strasse zu fahren, war man auf die lokale Bevölkerung angewiesen und erlebte somit viel mehr Details von ihrem Leben. Ukraine und Marokko waren maximal 10 Seiten Text im Word, der Kaukasus bot mit seinen 23 Seiten mehr als beide zusammen. Auch da schnitt ich verschiedene Videos zu den einzelnen Situationen zusammen. Die Idee war, dass man in die Schönheit vom Kaukasus eintauchen kann, aber auch in den wahren Kaukasus. Denn Bilder von einem Sonnenaufgang im Hohen Kaukasus können magisch aussehen, die Nacht im Zelt war es nicht. Es war kalt und der Wind war stark. Und im Video kann man sich in diese Situation hineinversetzen. 

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Weitere kurze Videos vom Kaukasus findest du hier.

(eli)

Ich habe es wirklich genossen, erneut in diese Reisen einzutauchen und mein Verhalten von damals zu analysieren. Ebenso spürte ich, dass ich mich weiterentwickelte und auch mein filmisches Können verbessert wurde. Ich hatte manchmal die Schwierigkeit, passende Aufnahmen zu finden, die nicht verwackelt und mit der richtigen Einstellung gefilmt wurden. Es war sehr spannend, nochmals in die Ukraine einzutauchen und in Erinnerungen an Orten zu schwelgen, welche es heute leider nicht mehr. Als mich die Nachricht vom Dammbruch in der Südukraine erreichte, musste ich meine Videos von diesem Ort nochmals anschauen und es tat weh. Trotzdem hat sich durch diese Reise eine Beziehung zu einer geflüchteten Ukrainerin entwickelt, welche ich heute als Schwester bezeichnen.

Ich habe die Arbeit unterschätzt. Ich konnte selten einfach Niederschreiben, sondern musste vermehrt recherchieren, meine damalige Route rekonstruieren, meine Übernachtungsplätze wiederfinden, Kilometer ausrechnen, um zu bestätigen, dass meine Erinnerungen wahr sein können. Ebenfalls wollte ich meine Iranreise auch dokumentieren, aber merkte rasch, dass die Zeit nicht reicht. Die Seite ist noch nicht responsive, das nehme ich gerne im Herbstsemester auf mich.

Im Sommer habe ich die Freude, zusammen mit meinem Freund die Westfjorde Islands mit dem Gravelbike zu durchqueren. Und ich bin gespannt, mein erlerntes Können vom Filmen und Schneiden und meine Erfahrungen auf dem Fahrrad in einen langen Reisefilm zu stecken. Das wird dann das nächste Digezz. Ich bin gespannt.