Eine Kamerarevolution
Wir schreiben das Jahr 2008. Canon bringt mit der EOS 5D Mark II eine neue digitale Spiegelreflexkamera auf den Markt. Die Kamera weckt vor allem das Interesse von Berufsfotografen. Ein Release unter vielen - nicht mehr und nicht weniger. Niemand, erst recht nicht Canon selbst, ist sich zu diesem Zeitpunkt bewusst, dass eine Fotokamera eine regelrechte Revolution in der Filmbranche auslösen würde.
Eine ungeplante Erfolgsgeschichte
Die Geschichte der Canon 5D Mark II beginnt mit ein paar Nachrichtenagenturen. Sie wünschen sich, dass News-Fotografen mit ihren Kameras auch kurze Videos fürs Web filmen können. Die Lösung, die Canon im September 2008 präsentiert, ist bei weitem nicht perfekt. Die Kamera liegt zum Filmen schlecht in der Hand, die Framerate entspricht nicht der Videonorm und die Audioqualität ist miserabel. Trotz allem will der Fotograf Vincent Laforet die Kamera testen. Da am Wochenende vor dem Verkaufsstart ein Prototyp bei Canon rumliegt, lässt man den Fotografen machen. Wirkliches Interesse für das Wochenendprojekt von Laforet zeigt bei Canon aber niemand.
Hollywood-Bilder zum Budgetpreis
So kommt es, dass der Fotograf Laforet ohne Filmerfahrung, ohne Budget, ohne Crew und mit weniger als 72 Stunden Produktionszeit seinen allerersten Kurzfilm produziert. Das Video geht viral. In den darauffolgenden Wochen und Monaten löst die Canon 5D Mark II eine regelrechte Massenbewegung aus und wird Wegbereiter für einen völlig neuen Markt. Plötzlich können mit einer Kamera für 3000.- Franken Bilder produziert werden, die vorher nur mit einem Budget von 30’000.- Franken möglich waren. Ob der Skateboard fahrende Jugendliche oder der technikinteressierte Grossvater. Über Nacht ist der „Hollywood-Look“ für alle zugänglich geworden. Während den nächsten Jahre avanciert die Canon 5D zum Liebling der Indie-Filmemacher und es dauert nicht lange, bis auch Hollywood das kleine, ungewollte Filmwunder für sich entdeckt.
In den richtigen Händen und mit dem rasant steigenden Markt an zusätzlichem Equipment entpuppt sich die Canon 5D Mark II als ein wahres Bildwunder. Wieso also sollte jemand noch Geld für eine teure Videokamera ausgeben? Diese Frage stellen sich nicht nur die Filmemacher, sondern auch Canon selbst. So schnell wie die Kamera zum Verkaufsschlager wurde, ist sie zu Canons grösstem Konkurrenten geworden.
Das Ende des DSLR-Märchens
Im März 2012 kommt das Nachfolgermodell 5D Mark III auf den Markt. Ohne nennenswerte Innovation im Videobereich wird klar, dass Canon kein Interesse hat, der enormen DSLR-Video-Community weiterhin Hollywood-Bilder zum Budgetpreis zu bieten. In der Angst, den Absatz der eigenen, professionellen Videokameras zu schädigen, setzt Canon fortan voll und ganz auf die teuereren Videokameras der C-Serie.
Während auf der Videoplattform YouTube mittlerweile jede Sekunde mehr als eine Stunde Videomaterial hochgeladen und monatlich 3 Milliarden Videos angeklickt werden, bleibt die Nachfrage an guten Low-Budget-Kameras weiterhin immens. Canon hinterlässt einen riesigen Markt, in den nun Firmen wie Blackmagic oder Sony mit neuen Technikinnovationen vorstossen. Im April 2014 bringt Sony die spiegellose Systemkamera a7s auf den Markt. Mit einem Gewicht von weniger als einem halben Kilogramm und der handlichen Grösse einer alten Digitalkamera, bietet die Kamera 4K-Auflösung und einen Sensor, welche sogar das Filmen bei Vollmond möglich macht. Ein neue Ära der kompakten, leistungsstarken Low-Budget-Kameras ist damit angebrochen.
Sony FS5 vs. Canon 5D Mark III
Der Wandel weg von der DSLR-Videografie ist auch in unserem Studiengang Multimedia Production zu spüren. Seit Beginn dieses Jahres steht den Studenten die Videokamera FS5 von Sony zur Verfügung. Wir sind der Meinung, dass man eine neue Kamera am besten an einem realen Projekt kennenlernen kann. So begaben wir uns auf die Suche nach einem Projekt, bei dem wir eine Geschichte erzählen und gleichzeitig die Sony FS5 optimal testen können. Bei unserer Recherche sind wir auf Manuel Gerster gestossen, dessen Leidenschaft es ist, mit Hilfe eines Bungeeseils auf der Aare zu surfen. Bei unserem Test vergleichen wir die Sony FS5 mit der Canon 5D Mark III, die immer noch die meistbenutzte Kamera der Technikausleihe ist.
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Manuel GersterView more
beim Bungeesurfing
Eine Videokamera im Fotogehäuse
Seit dem Release im Jahr 2008 basteln Filmemacher daran herum, die Canon 5D Mark III von einer Fotokamera in eine funktionale Videokamera zu transformieren. Wie nehme ich den Ton auf? Habe ich einen ND-Filter eingepackt? Wie halte ich die Kamera? Brauche ich einen zusätzlichen Monitor? Alles Fragen, die man sich vor einem Dreh stellen muss und die bei Bedarf zusätzliches Equipment benötigen. Kurz: Die Canon 5D ist eine Fotokamera mit sensationeller Videofunktion - für den Filmemacher aber im falschen Gehäuse.
Die Sony hingegen ist eine waschechte Videokamera. Etwas, das man schon an den vielen Knöpfen am Gehäuse erkennen kann. Dies mag vielleicht den einen oder anderen etwas abschrecken. Aber keine Angst - eine Videokamera bleibt eine Videokamera. Vieles, was bei der Canon 5D eher mühsam über das Menü eingestellt werden muss, kann bei der FS5 direkt über diese Knöpfe angesteuert werden. Der Workflow war für uns nach ein wenig Einarbeiten viel einfacher und effizienter.
Sony FS5: Eine Kamera wie ein Lego-Bausatz
Trotz der vielen Knöpfe lohnt es sich also, über seinen Schatten zu springen und die Kamera in die Hände zu nehmen. Die erste Überraschung lässt auch nicht lange auf sich warten: Für eine Kamera mit solchen Massen ist sie federleicht. Wie ein Lego-Bausatz können Griffe und Display entfernt werden. Danach ist der Body derart leicht, dass er sogar weniger als eine Canon 5D wiegt. Durch die Quaderform bleibt die Kamera robust und liegt gut in der Hand. Viele Aufnahmen haben wir in diesem minimalen Set-Up ganz simpel aus der Hand gefilmt und die Kamera dabei direkt am Body festgehalten. Die Sony FS5 eignet sich in diesem Set-Up auch perfekt, um sie mit Gimbals oder Drohnen zu verwenden. Beim Gebrauch mit dem Gimbal haben wir gelernt, dass das gewählte Objektiv nicht zu schwer oder zu lang sein darf. Ansonsten hat die Mechanik des Gimbals Probleme, die Kamera auszugleichen.
Mit dem klappbaren Display sind die Zeiten vorbei, als wir mit der Canon 5D auf den Boden liegen mussten, um noch etwas vom Bild zu sehen. Im kompletten Set-Up kann zudem der rechte Griff gedreht werden. So sind sowohl Aufnahmen von einem hohen, als auch von einem tiefen Winkel bequem möglich. Bei vielen Surfaufnahmen haben wir die Kamera am Bügel gehalten und konnten so zum Beispiel direkt oberhalb der Wasseroberfläche filmen. Ob nun am Bügel, am drehbaren Griff oder direkt am Body - die FS5 ist ein wahres Kamera-Chamäleon und das Handling kann immer perfekt an die Filmsituation angepasst werden.
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Robust:View more
Die Sony FS5 lässt sich bequem aus der Hand bedienen
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Federleicht:View more
Die Sony FS5 eignet sich perfekt für Gimbals oder Drohnen
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Allzeit verwendbar:View more
Die Sony FS5 kann praktisch in jeder Situation verwendet werden
Sonnenbrille im Automatikmodus
Ein richtiges Highlight war für uns der integrierte variable ND-Filter. Der ND-Filter funktioniert wie eine eingebaute Sonnenbrille, die das Bild in Stufen abdunkelt. Hat man einmal die zwei wichtigsten Kameraeinstellungen, Blende und Verschlusszeit, eingestellt, so kann mit dem ND-Filter die Belichtung konstant gleich gehalten werden ohne dabei die Einstellungen immer wieder ändern zu müssen. Der ND-Filter kann auf drei voreingestellten Stufen verstellt oder via Rädchen feinjustiert werden. Ein wahnsinnig praktisches Feature - erst recht seit dem neusten Firmware-Update. Neu passt sich nämlich der ND-Filter automatisch den Lichtverhältnissen an. Läuft man zum Beispiel mit der Kamera vom Schatten in die Sonne, gleicht der ND-Filter den Lichtunterschied von selbst aus. Wir haben dieses neue Feature selbst noch nicht ausprobieren können. Erste Testergebnisse im Netz sehen aber vielversprechend aus.
Ein modularer Aufbau, federleichtes Gehäuse, automatischer ND-Filter und ein eingebautes Mikrofon: Im Automatikmodus ist die Sony FS5 unserer Meinung nach die perfekte Run-and-Gun-Kamera. Muss man bei der Canon 5D vor einem Dreh immer an etliches Zusatzequipment denken, heisst das Motto bei der Sony FS5: Akku aufladen und los gehts. Allerdings waren wir für dieses Projekt weder als klassische Dokumentarfilmer noch als Journalisten unterwegs. Unser Ziel war es, eine Mini-Dokumentation mit cineastischen Bildern zu drehen. Kann die Sony FS5 in Sachen Bildqualität mit der Canon 5D mithalten? Um dies herauszufinden, müssen wir einen Blick ins Innere der Kamera werfen.
Das Herz der Kamera
Auch wenn die Canon 5D Mark III nun schon seit mehreren Jahren immer wieder für tot erklärt wird, sieht man noch heute viele Leute mit dieser Kamera filmen. Verantwortlich dafür ist das Herz der Kamera: der CMOS-Sensor. Dieser Sensor ist fast eineinhalb Mal so gross wie bei professionellen Hollywoodkameras von ARRI oder RED und gilt als Hauptgrund für die Erfolgsgeschichte. Bei schlechten Lichtverhältnissen kann der Super-35mm-Sensor der Sony FS5 dem CMOS-Sensor nicht das Wasser reichen. Trotzdem ist auch der Super-35mm-Sensor der Sony FS5 in der Lage cineastische Bilder mit wunderschöner Schärfentiefe zu produzieren.
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Super-35mm-SensorView more
cineastische Bilder mit wunderschöner Schärfentiefe