Die östliche Region Kachetien, oder Kacheti auf Georgisch, gehört zu den schönsten Teilen des Landes. Fruchtbare grüne Täler erstrecken sich hier bis zu den purpurnen Vorhügeln des Kaukasusgebirges. Bei einer Fahrt in der Marschrutka (einem sowjetischen Kleinbus) durch Kachetien sieht man lebhafte Dörfchen, malerische orthodoxe Kapellen, Wassermelonenverkäufer am Strassenrand, frei umherlaufende Kühe und Schweine, zypressenumgebene Weiden und jede Menge Rebberge. Kachetien ist nämlich die Weinschatzkammer des Kaukasus. In Ostgeorgien wurde schon vor 8000 Jahren Wein gemacht – die älteste nachweisbare Weinproduktion der Welt. Georgier sind sehr stolz darauf, den Wein erfunden zu haben, und pflegen noch heute eine leidenschaftliche und einzigartige Weinkultur. In Georgien sind über 530 Rebsorten zu finden. Davon gibt es einige, die nur dort anzutreffen sind. Rkaziteli, Saperawi und Kisi gehören zu den einheimischen Arten. Kisi-Wein wird auf ganz traditionelle Weise hergestellt. Stängel voller Trauben werden zerdrückt und in ein Qwewri gegeben. Das Qwewri ist ein riesiger eiförmiger Topf aus Terrakotta, den man bis zur runden Öffnung in die Erde eingräbt. Nach sechs Monaten Fermentierung kann man den Qwewri ausgraben und köstlichen, goldenen Kisi herausgiessen. Die Weinproduktion im Qwewri ist ein anerkanntes Unesco-Kulturerbe.
Ein anderer berühmter georgischer Wein ist der Kindzmarauli. Dieser Rotwein, welcher zwei Jahre gelagert wird und für seine leichte Süsse bekannt ist, war vorallem unter sowjetischen Politikern bei ihren Sommerferien an der georgischen Küste beliebt.
Bei georgischen Festmählern darf natürlich Wein nicht fehlen. Gewöhnlich leitet ein sogenannter Tamada das Trinken ein, indem er Trinksprüche ankündet. So hält er die Gesellschaft bei guter Stimmung, achtet aber darauf, dass niemand zu fest über den Durst trinkt. Trinksprüche sind in Georgien lang, emotional und poetisch. Oft erzählt und schwärmt man von einer Person, die einem am Herzen liegt und stosst danach auf diese an. Meistens ist da ein gewisser feuchtfröhlicher Humor dabei, doch den Georgiern ist es auch sehr wichtig, seriösen Angelegenheiten wie der Liebe zum Vaterland oder den verstorbenen Eltern mit einem Trunk zu huldigen. Wer in Georgien zu Besuch ist, wird bestimmt das Subjekt mehrerer Trinksprüche sein und dazu aufgefordert, selber einen für die Gesellschaft vorzutragen. Aber aufgepasst: wer seine Gastgeber ehren will, greift am besten zum Wein – mit Bier stösst man nur auf seine Feinde an! Zu guter Letzt wird vielleicht noch ein Tschatscha aufgetischt. Das ist das georgische Pendent zu Grappa. Tschatscha ist in Kachetien ebenfalls omnipräsent, da es aus den Resten der Weinproduktion gemacht wird. Georgier behaupten, das Feuerwasser sei ein Heilmittel gegen Magenschmerzen, verstopfte Ohren und Akne. Wie dem auch sei, niemand, der Tschatscha getrunken hat, hat es (all zu sehr) bereut.
Das gemütliche Städtchen Telawi ist der Hauptort von Kachetien. Es befindet sich im idyllischen Alasani-Tal, welches von Rebbergen übersät und auf allen Seiten vom Kaukasus und dem Gomborigebirge umgeben ist. Im Tal liegen viele kleine, hübsche und verschlafene Dörfchen. Die Bewohner dieser Dörfer arbeiten grösstenteils auf dem Land und verkaufen ihre Produkte täglich am Basari in Telawi. Hier findet man Tone (georgisches Brot) Fleisch und Käse, Früchte und Gemüse, riesige Bündel von Koriander und Basilikum und Säcke voll mit verschiedensten Gewürzen. An diesem Markt habe ich Safran, Curry, Chilli, swanetisches Salz und Adschika zu einem Schnäppchenpreis gekauft. Die freundlichen Händlerinnen und Händler bieten dir einen Löffel zum Geschmackstest an, beraten dich zur Verwendung der Produkte und geben gerne ein halbes Schäufelchen Gewürz in deinen Plastiksack gratis dazu.