Die Hauptstadt Georgiens, Tbilisi, ist die grösste Stadt des Landes. Hier wohnt etwa ein Drittel der georgischen Bevölkerung, ungefähr 1.5 Millionen Menschen. Die Stadt liegt in einem engen Tal am Ufer des Fluss Kura. Sie zeichnet sich durch eine charmante Altstadt und pompöse, moderne Architektur, buntes Leben von morgens bis abends, gutes Essen und Gastfreundlichkeit aus. Von den Luxusläden an der Rustavelistrasse zu den Obstständen der Altstadt, den bärtigen, schwarzgekleideten Priestern zu den hippen Studenten, den hektischen Busbahnhöfen zu den gemütlichen Stadtparks, vom Dunkin’ Donuts bis zum Restaurant, wo man nur Chinkali essen kann, hier vereinen sich alle Facetten Georgiens. Tbilisi bedeutet soviel wie „warmer Ort“, und tatsächlich geht es hier heiss zu und her. Tbilisi war schon seit Jahrhunderten ein Knotenpunkt des Kaukasus. Die Stadt war lange Zeit der Wohnort für viele verschiedene Kulturen und Religionsgemeinschaften. Im 19. Jahrhundert lebten hier nicht nur Georgier, sondern auch Armenier, Russen, Juden und Muslime aus dem Osmanischen Reich und dem Nordkaukasus. Diese verschiedenen Völker haben alle ihren Abdruck auf das Bild und die Atmosphäre der Stadt hinterlassen. Deswegen lohnt es sich, beim Besuch von Tbilisi einfach loszulaufen und zu erkunden – praktisch um jede Ecke gibt es was Sehenswertes. Hier sind aber dennoch ein paar Vorschläge.
Beim ersten Morgen in Tbilisi kann man einen Stadtrundgang beim Tawisuplebis Moedani oder Freiheitsplatz beginnen. Von hier aus kann man durch die schönen Gässchen in Richtung Flussufer schlendern und unterwegs in eines der zahlreichen gemütlichen Kaffees sitzen und dabei den morgendlichen Tumult der Stadt beobachten. Ich empfehle das junge, beschwingte Kaffee Moulin Electrique, welches sich in einem ruhigen und angenehmen Hinterhof gegenüber einer Synagoge befindet. Der Hof verwandelt sich am Abend zu einem pulsierenden Hipster-Treff, bei welchem getrunken, geraucht und philosophiert wird. Ein kurzes Stück weiter erreicht man das Ufer der Kura. Hier ist die berühmte Peace Bridge von Stararchitekt Michele De Lucchi kaum zu übersehen. Überquert man die Brücke erreicht man den Rike Park. In diesem riesigen Park am Rande des Flusses findet man weitere imposante Gebäude. Die geplante Konzerthalle ist mit ihren zwei massiven Glasröhren sehr beeindruckend. Schon von Weitem fällt der ausserirdisch scheinende Komplex ins Auge. Leider sind die Röhren geschlossen und die Glasscheiben verstaubt – das Projekt konnte nie fertiggestellt werden.
Vom Park aus hat man einen guten Blick auf einige Sehenswürdigkeiten der Stadt, wie der neue Präsidentenpalast, die Narikalafestung und die Statue der Mutter Georgiens. Wer diese letzten beiden aus der Nähe betrachten will, kann im Park in eine moderne Gondelbahn steigen und hochfahren. Vom Hügel, auf dem sich die Festung befindet, gibt es eine tolle Aussicht auf der einen Seite über die Stadt, auf der anderen auf den grossflächigen botanischen Garten von Tbilisi.
Über ein schmales Weglein kann man den steilen Hang in die Stadt hinuntersteigen. Unterwegs trifft man auf charmante alte Wohnhäuser mit den typischen Höfen und Erkern, kleine Kirchen und verzierte Badehäuser. Nach dieser Wanderung ist es wahrscheinlich Zeit für ein ausgiebiges georgisches Mittagessen. Unten in der Altstadt angekommen empfiehlt es sich, das übertouristische Sharden-Viertel zu umgehen und die kleine Erekle II Gasse aufzusuchen. Im Restaurant Pastorali kann man auf der lauschigen Terrasse köstliche Chatschapuri, Chinkali und andere georgische Spezialitäten bei einem kühlen Bier oder schmackhaften Wein geniessen. Wer einen süssen Softdrink will, verzichtet am besten auf Coca-Cola und bestellt eine typische georgische Zandukeli-Limonade mit Birnen- oder Estragongeschmack.
Für Marktfreudige gibt es den berühmten Dry Bridge Market. Dieser Markt findet täglich von 7 Uhr bis 18 Uhr statt. Hier findet man alles von Haushaltsgeräten, fragwürdiger Kunst oder Pistolen bis zu antiken Schmuckstücken. Alte Freunde treffen sich hier zum Brettspiel und zum Plaudern. Viele Verkäufer sind ältere ethnische Russen, die nach dem Fall der Sowjetunion auf schwere Zeiten stiessen und nun ihre alten Besitztümer verscheuern. Deswegen sieht man unter den Waren zum Verkauf neben Silberbesteck und Schreibmaschinen auch rostige Medaillen aus Sowjetzeiten.
Hier hört man zwei Marktverkäufer auf Russisch streiten.
Wer einen schönen Aussichtspunkt um den Sonnenuntergang zu beobachten sucht, dem rate ich an, einen Spaziergang zur Sameba-Kathedrale zu machen. Auf dem Weg kreuzt man den Präsidentenpalast, welcher durch seine Kuppel aus Glas sehr auffällig ist. Von nahe gesehen wirkt er jedoch etwas fehl am Platz, denn der Palast ist von zerbröckelnden Wohnhäuschen, die teilweise nicht einmal Fensterscheiben haben, umgeben. Bei der Kirche angekommen geniesst man bei gutem Wetter eine wunderschöne Szenerie mit einzigartiger Aussicht auf die Altstadt und auf den Mtatsminda-Berg mit dem Fernsehturm. Die Abendsonne lässt die riesige Kirche leuchtend goldig erscheinen. Das Sameba-Kirchengebäude wurde im Jahre 2004 erbaut, die Meinungen dazu sind gespalten. Für einige ist es ein würdiger Sitz für den georgischen Patriarchen, für andere ein grössenwahnsinniges Machtsymbol der orthodoxen Kirche. Eines muss man aber eingestehen, es gibt kaum schönere Orte in Tbilisi um den Sonnenuntergang zu geniessen.
Nach dem Besuch bei der Sameba-Kathedrale lohnt es sich, wieder den Fluss in Richtung Altstadt zu überqueren und danach im Kaffee Leila unter den Olivenbäumen Nahöstliches oder moderne Versionen von georgischem Essen zu speisen. Hier gibt es auch für Veganer etwas zu naschen – eine Seltenheit in Georgien!